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Buchausschnitte

Die Schärpenburg und ihre Riesenlinde bei Heede

Von Hermann Abels aus Heede

Schon in der ersten geschichtlichen Zeit des Emslandes tritt uns das "Haus Heede" als Besitz des Bistums Münster entgegen, was wohl ohne Zweifel mit dem Umstande zusammenhängt, dass der nördliche Teil des Emslandes, der sogenannte sächsische Emsgau (die alten Kirchspiele Aschendorf, Rhede und Heede) nicht von Osnabrück, sondern von Münster aus durch den hl. Ludgerus dem christlichen Glauben zugeführt worden sind.

Im Jahre 1252 erlangte Münster die weltliche Herrschaft über den größten Teil des ganzen Emslandes und hatte fernerhin die nicht leichte Aufgabe, diesen Besitz gegen seine Nachbarn, besonders von Westen und Norden, zu schützen. Zu diesem Zwecke schuf oder sicherte es sich eine Reihe von Burgen längs der Ems, deren nordwestlichste beim Hause Heede angelegt wurde, die Schärpenburg - deren Aufgabe eine doppelte war: Besitzungen in Ostfriesland, welche von den nach Freiheit ringenden Friesen ihm lebhaft streitig gemacht wurden, zu sichern und zugleich die von Holland, namentlich dem Groninger Lande her drohenden Angriffe abzuwehren. Für diesen Zweck lag sie an der militärisch wichtigsten Stelle, nämlich an der schmalen stets wasserfreien Landzunge zwischen Westerwalde und dem Emslande, der sog. Burtange. Wann diese Feste errichtet worden ist, steht geschichtlich nicht fest, es ist aber wohl kaum zu bezweifeln, dass sie ihren Ursprung in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hat, wenigstens begegnet uns von dieser Zeit an das Ministerial-Adelsgeschlecht von Scherpenberg. Zu Anfang des 15. Jahrhunderts muss die Burg einem durchgreifenden Um- oder einen völligen Neubau unterworfen sein, wie sich aus den noch vorhandenen Überresten ergibt, die ganz den Charakter der bekannten westfälischen Wasserburgen tragen: ein mit breitem doppelten Graben geschützter viereckiger Platz, auf dem die Burg stand. Aus der Geschichte der Schärpenburg in ihren ersten Jahrhunderten ist uns nichts Sicheres überliefert; erst mit dem 16. Jahrhundert tritt sie mehrfach hervor und ihr Ende fand sie im letzten holländischen Kriege Christoph Bernards von Galen durch den die holländischen Truppen befehligenden schwedischen General Rabenhaupt, der sie 1677 in Feuer aufgehen ließ, worauf sie nicht wieder aufgebaut wurde.

Das Geschlecht der Scharpenberger oder Schärpenberger muss von jeher ein besonders kinderreiches und zugleich streitlustiges und fehdefrohes gewesen sein; denn die kleine Schärpenburg hat ihm alsbald nicht genügt, sondern es schickte manche seiner Angehörigen schon von Ende des 13. Jahrhunderts ab nach dem Osten in die Gegend von Lauenburg und Ratzeburg, wo diese alsbald zu Besitz und Ansehen gelangten, aber auch sich während der Zeit des Faustrechtes an ehrlich erworbenes Gut nicht genügen ließen, sondern zu den ärgsten Wegelagerern wurden und den Schrecken der ganzen Gegend bildeten. Im 30jährigen Kriege verarmten sie vollständig und begaben sich nun wieder in die alte Heimat, mit der sie noch stets Fühlung gehabt haben müssen. Auch hier geriet das Geschlecht in vollen Vermögensverfall, so dass das Schärpenborger Lehen an die aus Holland stammende verschwägerte Familie von Pinninck überging. Die Schärpenborger legten den Adelstitel ab und suchten sich bürgerliche Beschäftigung teils in Holland, teils im Münsterland. Von diesen ist der letzte des Namens Scherpenborg 1876 als Beamter in Meppen gestorben.


Von dem Schlosse Schärpenburg ist außer den schon erwähnten Grabenresten nur noch eins übrig, was sein Andenken im Volke sichert: die große Linde, im Volksmunde die "tausendjährige“ Linde genannt. Der Stamm hat nach neueren Messungen am Erdboden einen Durchmesser von etwa 6 und einen Umfang von 19 Meter, an der zusammen- geschnürten Stelle einen solchen von 4 bzw. 12,60, am Kronenansatz von 6,40 bzw. 20,09 Meter. Die Höhe des ganzen Baumes vom Boden bis zum Wipfel beträgt rund 30, die Breite der Krone etwa 40 Meter.

Über dem niedrigen "Stamm" setzen sich an dessen Rande 15 kräftige "Äste" (früher 16; der eine wurde vor einigen Jahrzehnten durch einen Blitzstrahl heruntergerissen), die von verschiedener Dicke sind, aber sämtlich starke Bäume darstellen; der dickste von ihnen hat fast ein Meter Durchmesser, der dünnste 0,30. Diese Stämme vereinigen sich unten und bilden den erwähnten mit verschiedenen Rillen durchfurchten, knorrigen Hauptstamm. Zwischen den Ästen befindet sich ein runder freier Raum mit unebener Oberfläche, der für mindestens ein Dutzend Menschen Platz zum Tafeln bietet und in früherer Zeit auch wiederholt gegeben hat. Auch die münsterschen Fürstbischöfe Ferdinand von Bayern und Bernard von Galen sollen auf dieser Stelle Bankette gehalten haben.

Eine eigentliche Geschichte besitzt die Linde nicht. Die oft gehörten Angaben, es seien dort ehedem Gerichtssitzungen abgehalten worden, gehören in das Gebiet der Sage. Sie wird zuerst erwähnt, als General Rabenhaupt die Schärpenburg verbrannte und den Befehl gab, den prachtvollen Baum zu schonen. Daher sind wir für sein Alter auf Mutmaßungen angewiesen. Er gehört zu den Schloss- oder Burglinden, wie man sie in ganz Deutschland und darüber hinaus an verschiedenen Stellen antrifft, ohne dass man ihren besonderen Zweck oder ihr bestimmtes Alter weiß. Im eigentlichen Mittelalter wird keine einzige erwähnt, soweit bis jetzt bekannt, und die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass ihre Anpflanzung erst seit dem 15. Jahrhundert üblich geworden und bei den Adelssitzen und zum Teile auch in Ortschaften eine Art Sport mit ihnen getrieben wurde, nachdem man ein Mittel entdeckt hatte, sie in verhältnismäßig kurzer Zeit zu züchten. Dies scheint darin bestanden zu haben, dass man auf einen Haufen geeigneter Erde eine Anzahl junger Linden kreisförmig anpflanzte, die sich dann gleichmäßig entwickelten und untereinander sich mit ihren Wurzeln berührten und verwuchsen, wobei durch geeignete Einschnitte dafür gesorgt wurde, dass sich ein gemeinsamer Bast bildete. Je mehr die Verwurzelung fortschritt, desto mehr konnte die Erde entfernt werden und aus dem Wurzelgemisch wurde in einer Reihe von Jahrzehnten eine zusammenhängende Holzmasse, die den "Stamm" bildete und ihrerseits wieder neue Wurzeln zu ebener Erde trieb.

Danach wäre also das Alter dieser Bäume nicht nach ihrem "Stamm", sondern nach den einzelnen "Ästen" zu beurteilen. Das höchste von der Linde erreichte Alter wird auf 1.000 Jahre geschätzt; da aber die Heeder Linde, nachdem sie seit etwa 20 Jahren fachmännisch mit erheblichen Kosten aufgefrischt ist und den ihr ausgegangenen Wasserzufluss wieder erhalten hat, noch keine Spuren wirklicher Altersschwäche aufweist, ist anzunehmen, dass sie an diese Jahre noch nicht heranreicht. Nach ihrem Standorte ist zu vermuten, dass sie etwa um dieselbe Zeit angepflanzt worden ist, als die Schärpenburg neu aufgebaut wurde, und das weist auf die Zeit kurz nach 1400 hin.

Nach dieser Annahme würde die dickste Linde Norddeutschlands um die jetzige Zeit ihre Halbjahrtausendfeier begehen können - immerhin ein ehrwürdiges Alter, aus dem Sie uns von der ereignisvollen Zeit der Geschichte unserer emsländischen Heimat viel erzählen könnte, leider mehr von trüben als von erfreulichen Ereignissen.

Quelle: Heimat-Kalender 1925, herausgegeben vom Kreise Meppen

 

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