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Buchausschnitte

Zu den alten Bohlwegen im niederdeutschen Sumpflande.

Von Hermann Abels.

Sämtliche Schüler unserer höheren Lehranstalten erfahren bei der Einführung in die alte deutsche Geschichte von den Bohlwegen (auf Latein „pontes longi“), welche der römische Feldherr Domitius Ahenobarbus („der Mann mit dem kupferfarbigen Barte“) zur Zeit von Christi Geburt durch die Sumpf- und Moorgebiete Niederdeutschlands anlegte, um seine Truppen durch die Rheinmündungen über das jetzige Holland und das mittlere Emsgebiet nach dem Lande der Cherusker und Engern an die Weser und Elbe zu führen. In der Regel wird es so dargestellt, als ob der römische General gewissermaßen der Erfinder solcher Brücken zu strategischen Zwecken gewesen sei.

In der Tat war es allgemeiner Grundsatz der alten Römer, beim Kriegführen in fremden Ländern sich möglichst die fremden Gewohnheiten zu eigen zu machen und, abgesehen von der Bewaffnung und Taktik, alles Vorhandene auszunutzen. Insbesondere galt das auch von dem Wohnungs- und Verkehrswesen. Und in der Tat hat Ahenobarbus nur von einem Verkehrsmittel Gebrauch gemacht, das den damaligen Bewohnern Niederdeutschlands seit zwei bis drei Jahrtausenden nicht nur bekannt, sondern auch zu einer großen Vollkommenheit der Technik ausgebildet war. Man darf mit Gewissheit sagen, dass nur deutsche Tiefbaukunst es Ahenobarbus ermöglichte, diese Bohlwege so geschickt und in solchem Umfange zu schaffen bzw. instand zu setzen, und dass deutsche Ingenieure und Arbeiter in seinem Solde die Bauten ausgeführt haben.

Im eigentlichen Emsland finden sich schwerlich solche römischen Wege; höchstens können sie die Grafschaft Bentheim berührt haben. Von den deutschen Bohlwegen, die sich im ganzen jetzigen Moorgebiete an beiden Seiten der Ems sowie im Diepholzischen und im Oldenburgischen finden, sind sie in ihrer Anlage nirgends sicher zu unterscheiden, und es unterliegt keinem Zweifel, dass Ahenobarbus wohl nur einzelne Neubau- und Verbindungsstrecken selbst angelegt, im übrigen aber die längst vorhandenen in Benutzung genommen hat.

Ganz Niederdeutschland war damals mit großen Sumpfstrecken durchsetzt, dazwischen kleinere Waldungen von Eichen, Buchen und sonstigem Laubholz, vereinzelte größere Nadelholzbestände und zwischen diesen große kahle Flächen, auf denen die Bewohner geringen Ackerbau und ausgedehnte Viehzucht trieben. Der Verkehr der Emslandbewohner mit der Umgebung muss aber bereits stark ausgebildet gewesen sein; das beweisen gerade die sich in den alten Sumpf- und Moorgebieten in großer Ausdehnung findenden künstlichen Verkehrslinien, eben die Bohlwege. Man findet sie überall, wo die Sümpfe die Schaffung von etwa gradlinigen Hauptverkehrsverbindungen - unsern Landstraßen - unmöglich machten, und naturgemäß nur an solchen Stellen. Der Hauptverkehr hatte seine Richtung von Ost nach West und umgekehrt, das beweisen schon sonstige Umstände, aber auch ganz klar die alten Bohlwege, die wegen der großen Sandgebiete im Emslande selbst nur selten und auf kurzen Strecken notwendig waren.

Anders im südlichen Teile von Oldenburg und im Diepholzischen. Dort finden sich daher auch noch jetzt im Moore die vorzüglich erhaltenen Reste dieser eigenartigen Kunststraßen, die nicht zum geringen Teile noch aus der Steinzeit herrühren müssen. Seit Mitte der neunziger Jahre bis zur heutigen Zeit sind sie planmäßig erforscht worden, so dass wir jetzt ein klares und für diese Bauten allgemein gültiges Bild besitzen. Unsere jetzigen Landstraßen sind je nach ihrem Zwecke und dem Bedürfnisse nach Breite und Befestigung verschieden gebaut; ebenso war es bei den Bohlwegen von der frühesten Zeit an, und die ältesten Arbeiten weisen mindestens die gleiche Vollkommenheit auf, wie die spätesten.
Hierüber könnte man sich wundern, wenn man weiß, dass die Baumeister der ältesten Zeit noch ganz auf Werkzeuge aus Feuerstein angewiesen waren. Aber deren Brauchbarkeit darf man nicht unterschätzen; sie waren vielmehr für schnelle und saubere Arbeit außerordentlich geeignet und die alten Handwerker wussten wohl, was sie taten, wenn sie, als schon die stahlharte Bronze bei ihnen im Handel war, zum großen Teile bei ihren alten Geräten blieben und erst wenige Jahrhunderte vor Karl d. Gr., wie wir aus den alten Grabstätten ersehen, das Eisen den Feuerstein vollständig verdrängte. Noch in neuester Zeit ist die Probe über die Leistungsfähigkeit der steinzeitlichen Werkzeuge gemacht worden. Der dänische Kammerherr Sehested hat nämlich im Garten seines Gutes ein Blockhaus ausführen und bei dem Bau nur Steingeräte verwenden lassen. In zehn Stunden konnte man mit derselben Axt 26 Fichten mittlerer Dicke fällen, die Äste entfernen und das Holz zum Bauplatze schleppen. In 81 Tagen war das Haus fertig. So berichtet der bedeutende Forscher auf dem Gebiete der germanischen und deutschen Urzeit G. Schwantes in Hamburg in seinem Buche „Deutsche Urgeschichte“, Leipzig 1921, S. 82.

Zu den am besten auf Bohlwege durchforschten Bezirken gehört der an der oldenburgischen und preußischen Grenze zwischen (oldenb.) Brägel und (preuß.) Aschen liegende bei Diepholz. Unter der Leitung von Bauinspektor Prejawa wurden dort 1895 vier bereits bekannte Bohlwege im Moore näher bestimmt und drei neu aufgefunden, alle anscheinend aus verschiedenen Zeiten. Der älteste, 4 km lang, bei der Gemeinde Offenbeck, liegt 2,6 bis 5,4 m tief im Moor, davon etwa 2,4 schwarzes, also uraltes Moor. Prejawa hält dafür, dass er nach der geologischen Beschaffenheit des Moores vielleicht schon dreitausend Jahre vor der christlichen Zeitrechnung hergestellt sei. Das ist eine Schätzung, die niemand genau kontrollieren kann, aber in den Kreisen der Moorkenner hat Prejawas Annahme wenig Widerspruch gefunden. Die Bauart des Bohlweges – auf Längsschwellen sind gespaltene und ganze Rundhölzer als Belag gelegt und die Säge ist noch nicht zur Anwendung gekommen – deutet darauf hin, dass hier ein geistig entwickeltes Kulturvolk gelebt hat, um ein solches, immerhin großes technisches Geschick bekundendes Bauwerk auszuführen.

Von diesem Bausystem weichen die übrigen Bohlwege in etwa ab, weisen aber unter sich fast gleiche Bauweise auf. Zum Teile sind, wie der sachverständige Bericht in den Mitt. des Osn. hist. Vereins, Jahrg. 1897 besagt, die Längsschwellen aus Kiefern und Tannenholz, die Bohlen aus Rundholz, das hin und wieder gespalten ist. Einige Belagbohlen haben in ausgestemmten Löchern oder in Ausklinkungen 1 bis 1,5 m lange vierseitig behauene und zugespitzte Eichenpfähle von 5 bis 7 cm Stärke, andere Wege haben an den Seiten Pflöcke. Unter einem Wege befinden sich Kohlenreste. Dreieckig zugehauene Belagbohlen sind allen Wegen gemeinsam. Gleichfalls gemeinschaftlich ist der Unterbau der Längsschwellen, die dreikantig geschnittenen und übereinander greifenden Belagbohlen und die Aufschüttung von Sand. Das verwendete Eichenholz ist langfaserig und astlos. Die Eichenholzstämme wurden mit einem Beil in Bohlen gespalten, die in ihrem Querschnitt spitzwinklig nach dem Kern zulaufen. Dies führte zu der sinnreichen Technik des Übereinanderlegens der Bohlen. Auf die spitzige Bohlenkante, die aus dem Kern des Holzes war, wurde die dicke Kante der darauffolgenden Bohle gelegt. Das Kernholz ist stark und fest, das Splintholz schwächer und loser gefügt. Viereckige Bohlen hätten die Vorteile des leichten Spaltens nicht gewährt, hätten auch eine andere Bauart und mehr Holz erfordert. Die sich aus der angewandten Bauweise ergebende Unebenheit der Oberfläche ist durch Sandschüttung ausgeglichen.

Auf preußischer Seite sind bei einem der jüngeren Wege Reste eines Lagers und alter Befestigungen sowie eine Landwehr (weitere Umwallung) vorhanden. Das deutet auf militärische Zwecke, wenn auch nicht auf römische Arbeiten. Im Übrigen lässt sich kein sicherer Grund für so viele Wege anführen, die so dicht, zum Teile nebeneinander herlaufen. Immerhin beweist der Fund den in der alten Zeit starken Verkehr in der jetzt so stillen Gegend.

Jedermann, auch bei uns, der mit Torfgraben zu tun hat, weiß, dass in den verschiedenen älteren Moorschichten sich verschiedene Hölzer finden, im tiefsten schwarzen Moor aber nur meist starke Eichen und Kiefern, die sich vorzüglich erhalten haben. Werden sie der Sonne ausgesetzt, zerfällt die äußere Schicht bald; nur der langsam trocknende Kern bleibt erhalten. Weniger allgemein ist bekannt, dass auch die weich gewordenen Eichenteile bei Abschluss von Sonnenlicht und langsamem Austrocknen (etwa mit übergelegten Plaggen oder Moos) wieder volle Festigkeit erlangen. Solches Holz, in das man beim Graben mit dem Finger hineinbohren kann, wird auf diese Weise wieder so fest, dass es sich polieren lässt wie Ebenholz, dem die fossilen Eichenstämme auch an Gewicht nahekommen. Der verstorbene Direktor Wiepken des Naturkundl. Staatl. Museums in Oldenburg, hatte sich aus solchen Mooreichen die vollständige Einrichtung seines Arbeitszimmers herstellen lassen, die ohne Beize oder Farbe nach einfacher Polierung ein entzückendes Schwarzbraun zeigte. Ich habe ihn oft darum beneidet.

Auch das Burtanger Moor wurde ehemals, wenigstens in seinem südlichen Teile, von Bohlwegen durchschnitten, deren Entstehung sicher zum Teile vor die geschichtliche Zeit fällt. Der beste Kenner der westemsländischen Moorflächen, der allverehrte greise Forscher Hermann Gröninger in Lindloh, sagt in seiner Geschichte emsländischer Moorkolonien, Lingen 1910, S. 79:
„Ein Bohlendamm von Vaalte (holl.) nach ter Haar (emsl.) ist 2 ½ Stunden lang, man vermutet seiner Lage nach, dass er sich über Rütenbrock (?) und Dankern nach Haren an der Ems hergezogen hat. Auch im Emmer Kompascum (holl., gegenüber Lindloh) und in der Tinner Dose (östl. der Ems) findet man solche Bohldämme.“

Über eine systematische fachtechnische Untersuchung dieser Bohlwege ist mir nichts bekannt geworden, so dass ein abschließendes Urteil über Alter und Bestimmung nicht möglich ist. Immerhin liegt die Vermutung nahe, dass sie zum Teile die Fortsetzung der Verkehrswege sein können, von denen soeben die Rede war. Mit Bestimmtheit darf aber wohl gesagt werden, dass sie nicht direkt mit den Römerzügen in Verbindung standen. Vielmehr beweisen sie, dass die Bevölkerung westlich und östlich des Burtanger Moores bereits in uralter Zeit miteinander in Verkehr und Güteraustausch stand. Dass auch für den Fußgängerverkehr besondere Maßnahmen getroffen waren, geht aus einer anderen Mitteilung Gröningers hervor, der a. a. O. S. 60 schreibt:

„Auf den früheren gegenseitigen Verkehr weisen auch die hölzernen Fußbrücken hin, die hier und da tief unten im Moore gefunden werden. So einen schmalen Bohlendamm ließ ich noch kürzlich an mehreren Stellen im Emmer Kompascum bloßlegen. Er ist etwa 60 cm breit und besteht aus eichenen Bohlen, noch 80 bis 100 cm hoch, mit festem Torfmoor überwachsen, obschon die Flächen durch den Buchweizenbau bedeutend heruntergebrannt sind. Alle Meter ungefähr liegt ein Querbalken von dünnerem Tannenholz. Senkrecht in den Boden getriebene Pflöcke halten das Ganze zusammen. Stellenweise trifft man durchlöcherte Querbalken, durch welche die Sticken geschlagen sind. (Vgl. oben.) Die Richtung zeigt von Schwartenberg nach dem Emmer Sand zum Hundsrücken (auf holl. Gebiete westl. vom Zwarte Meer, gegenüber Schöninghsdorf). Da der Bohlendamm für Wagen zu schmal ist, konnte er wohl nur für Fußgänger und Reiter angelegt sein. Er ist gleich über dem Dargmoor angelegt und vom schwarzen Torf allmählich überwachsen, somit uralt.“

Die Schlussfolgerung Gröningers ist zwingend, und da der von ihm aufgefundene alte Fußweg eine hervorragende Seltenheit unter den Bohlwegen bildet, wäre es angebracht, dass die Forschung ihm ihre besondere Aufmerksamkeit zuwendete.

 

Quelle:
Emslandbuch 1928, ein Heimatbuch für die Kreise Meppen, Aschendorf, Hümmling, herausgegeben im Selbstverlag der Kreise

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