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Buchausschnitte

Heinrich Lanwer,

erster Direktor des Lehrerseminars zu Osnabrück als Pfarrer zu Heede und Pädagoge.

Persönliche Erinnerungen von Hermann Abels Paderborn.

Aus Anlaß des goldenen Jubiläums des kath. Lehrervereins der Diözese Osnabrück brachte dessen Organ, die „Pädagogische Post“, in ihrer Festausgabe u. a. auch einen Abriß der Geschichte des katholischen Lehrerseminars in Osnabrück und gedachte dabei mit lebhafter Pietät des ersten Direktors, späteren Pfarrers Lanwer in Heede an der Ems.

Er ist bereits 1877 gestorben und von seinen Schülern sind nur noch wenige am Leben, darunter die Herren Rektor Bögemann in Schinkel und dessen Bruder, Hauptlehrer Heinrich Bögemann, sowie der Schreiber dieser Zeiten, den es bei diesem Anlasse drängt, mit einigen Worten an den edlen Priester und hervorragenden Pädagogen zu erinnern, der längst eine von berufener Seite verfaßte Biographie verdient hätte, sie aber wohl nicht mehr finden wird, da das Andenken an sein still-bescheidenes Wirken schon gar zu stark verblaßt sein dürfte.

Ich selbst habe seinen Unterricht von 1868 bis 1872 genossen und werde wohl der letzte noch lebende Schüler sein, dem er den Weg zu den akademischen Studien geöffnet hat.

Heinrich Lanwer stammte aus Quakenbrück, besuchte das Carolinum in Osnabrück und machte seine Universitätsstudien zum größten Teile an der Universität Bonn. Nach seiner Priesterweihe war er einige Jahre Vikar in Bersenbrück; Weihbischof und Generalvikar Dr. Anton Lüpke erkannte aber mit scharfem Blicke alsbald die erzieherischen Anlagen des jungen Geistlichen und als es galt, die 1820 ins Leben getretene Normalschule in Osnabrück zu einem Lehrerseminar auszugestalten, berief er zum 23. Mai 1838 den Vikar Lanwer zu dessen Direktor und zugleich zum Inspektor über sämtliche katholischen Schulen des Bistums.

Volle 18 Jahre ist Lanwer in diesem Amte, manchmal unter sehr schwierigen Verhältnissen, mit größter Hingebung und bestem Erfolge tätig gewesen und hat mit den allerbescheidensten äußeren Mitteln rund 160 Zöglinge zu tüchtigen Lehrern und Lehrerinnen herangebildet, dabei aber auch zu musterhaften Menschen und treuen Christen. Seine körperlichen Kräfte hatten sich aber unter der Ueberlast der Arbeit so sehr erschöpft, daß er in seiner Pflichttreue sich selbst sagte, daß er der vollen Weiterführung des Amtes, wie er es sich dachte, nicht gewachsen war. Kurz entschlossen zog er die Folgerungen und fragte den Generalvikar Joh. Heinrich Beckmann: „Wenn eine Pfarrstelle frei wird, kann ich sie dann haben?“ Der Generalvikar war über diese Frage anfangs nicht wenig erstaunt, aber als Lanwer ihm den Grund auseinandersetzte, glaubte er nicht umhin zu können, dem Wunsche Erfüllung zu versprechen. Schwer ist es ihm freilich geworden, er stand eine Weile nachdenkend und antwortete dann kurz: Sie sollen sie haben!“

Ende 1855 wurde nun die Pfarre Heede durch den Tod des Pastors Anton Ramler frei – ich bin das letzte Kind aus diesem Orte, das er getauft hat - und Seminardirektor Lanwer nahm sie ohne Bedenken an. *) Es dauerte aber noch einige Monate bis er die dienstlichen Geschäfte soweit abgewickelt hatte, daß er an seinen neuen Wirkungskreis gehen konnte, den er niemals gesehen hatte. Im August trat er die Pfarre Heede an. Ein gewaltiger Unterschied! Anstelle des schönen Osnabrück ein armseliges, wenn auch uraltes Heidedorf, in dem es nur sehr wenige Bewohner gab, die in einigermaßen besseren Verhältnissen lebten, die meisten waren, wenigstens nach unsern jetzigen Begriffen, völlig arm, wenn sie auch bei ihrer Genügsamkeit ihre eigene Dürftigkeit in Kost, Kleidung und Wohnung nicht empfanden.

Die Pfarre war gering besoldet, größtenteils auf landwirtschaftliche Erträge angewiesen, und wie unsicher diese damals waren, ist wohl allbekannt. Dazu kam aber noch, daß Pastor Lanwer seine Pfarrländereien nicht selbst bewirtschaften mochte und die Pacht erstens niedrig war, sodann aber höchst unregelmäßig oder gar nicht einkam. An ihm hat aber niemals irgend jemand das Empfinden gehabt, daß es ihm an etwas fehle; wenn das der Fall war, verstand er es mit Geschick zu verdecken. Für seine Person bedürfnislos, war er ganz der Mann der Hingebung an seine Gemeinde, der in jeder Beziehung seine Sorgfalt galt, aber auch entschieden und energisch, wenn Ungehörigkeiten irgendwelcher Art bekämpft werden mußten.

Eine Figur von mittlerer Größe, mäßig kräftig gebaut, hatte er ein außerordentlich charakteristisches Gesicht mit lebhaftem Mienenspiel; unter buschigen Brauen leuchteten ein Paar brauner Augen hervor, aus denen man ohne Schwierigkeiten herauslesen konnte, was in seiner Seele vorging; wohl alle seine Schüler verstanden es bald, in diesen zu lesen und sich darnach zu richten, so daß er sich in sehr häufigen Fällen Tadel oder Lob ersparen konnte, auch mündlicher Anweisungen nicht bedurfte.

Kennzeichnend für sein ganzes Wesen war der unwandelbare Ernst. Nur in außerordentlich seltenen Fällen dürfte man ihn wirklich herzlich haben lachen sehen; ich möchte wohl sagen, daß man Jahre lang näher mit ihm verkehrt haben konnte, ohne ihn nur ein einziges Mal dabei beobachtet zu haben, mir ist es wenigstens überhaupt nicht in Erinnerung. Man vermißte es auch bei ihm nicht; auf den Gedanken wird kaum jemand gekommen sein. Dabei konnte man erst recht bei ihm von irgendwelchem finsteren Wesen nicht reden, im Gegenteil, er besaß ein so gleichmäßiges und ruhiges Naturell, daß man es unnatürlich gefunden haben würde, wenn es sich leicht nach rechts oder links außerhalb der Gleise bewegt hätte.

Gleichmut war das Charakteristikum seines Handelns im Großen wie im Kleinen; bei allem stand er in sich innerlich fest wie eine dicke Eiche auf dem niedersächsischen Bauernhofe, die auch der stärkste Wintersturm nicht aus ihrem Gleichgewicht zu bringen vermag. Er mußte sich selbst sehr genau kennen, deshalb verstand er es, sich mit seltener Willenskraft im Zügel zu halten. Immer freilich gelang es auch nicht; wenn er tatsächliche Unarten oder gar Bosheiten gewahrte, konnte er für den Augenblick aufbrausen, aber das hielt nur eine kurze, meist sehr kurze Weile an, dann strafte er energisch, damit war es auch getan und er wieder ganz derselbe im vollen, gutmütigen Urgrunde seiner Natur.

Dabei ließ sich nicht in Abrede stellen, daß bei ihm der abwägende Verstand die Phantasie sehr stark in den Hintergrund schob; von poetischer Ader oder Sinn für Poesie war bei ihm keine Rede. So ist es auch zu begreifen, daß er Ciceros Buch über die Pflichten uns anregend auszulegen verstand, während dagegen die dichterischen Schönheiten der Odyssee oder des Horaz uns bei ihm überhaupt nicht zum Bewußtsein kamen. Auch für die deutschen Aufsätze wählte er nur verstandesmäßige Themata. Hiermit hängt es auch wohl zusammen, daß er für die Kunst kein Verständnis besaß.

Was die Architektur betrifft, muß freilich berücksichtigt werden, daß er einer Zeit des tiefsten Niederganges entstammte; aber er hat auch das Erwachen erlebt und niemals dafür Interesse gewinnen können. Was er an der Kirche in Heede gebaut hat – es ist nicht viel- ist sämtlich grotesk mißlungen und zum Teile noch jetzt als abschreckendes Beispiel zu sehen. Immerhin ist es erfreulich, daß er aus Mangel an Mitteln nicht mehr „restauriert“ hat.

Ein ganz besonders hervorstechender Zug seines Wesens war seine Kinderfreundlichkeit. Das wußten die Kinder auch sehr genau. Wenn er nur von ferne gesehen wurde, eilten alle herzu, aller Mienen heiterten sich auf, jeder Streit und Zank war sofort vergessen, jetzt hieß es: „Heerohm Händken gäwen“ – das war nicht Pflicht, sondern Freude. Und für jedes Kind hatte der Pfarrer nicht nur ein passendes Wort, auch die schmutzigste Kinderhand wurde nicht verschmäht, wenn auch dabei oft ein fein abgestimmter Tadel abfiel. Alle Kinder sind Bettler, mögen sie in Purpur oder Lumpen gekleidet sein. Heerohm hatte in seinem langen Rock stets riesenhafte Taschen und diese waren selten leer wenn er ausging, aber stets, wenn er heimkam. Die Erträgnisse seiner fast jeedes Jahr reich behangenen vielen Obstbäume im Pfarrgarten: Aepfel, Birnen und Haselnüsse, dienten im Herbst, Winter und Frühjahr dazu, die Kindergemüter zu erfreuen. Er verteilte sparsam, um möglichst lange etwas für diesen Zweck zu haben; auch wer einen Tadel einstecken mußte, wurde deshalb von der Gabe nicht ausgeschlossen – es gehört wirklich eine besondere Kunst dazu, dies in der Weise zu machen, daß es wirkt, und er verstand es. Wie leicht begriffen wir die Erzählung des Evangelisten vom göttlichen Kinderfreund, wenn uns der gute greise Lehrer Hunfeld oder Heerohm selbst sie vortrug; wir brauchten nur uns diesen unter uns Kindern vorzustellen und dachten dabei auch wirklich an ihn.

Den Erwachsenen gegenüber der geistige Vater in jeder Beziehung, den Heranwachsenden der väterlich Fürsorger für ihre Sittlichkeit und Bravheit, dessen Auge und Herz über jedem wachte, waren doch die Kinder seine allererste Sorge. Er kannte sie alle nach Temperament und Neigungen, wußte sie individuell zu behandeln und sämtlich zu seinen Vertrauten zu machen. Das Kind muß lernen und dabei stets nach seinen Fähigkeiten beschäftigt werden, war sein Grundsatz, und dafür wußte er die beste Anleitung zu geben. Er war der geborene Erzieher und Pädagoge, aber nach einem System eigener Art, das ihm so leicht niemand nachmachte. Auch als Pfarrer war er der Schulmann geblieben und konnte ohne Tätigkeit im Schulwesen nicht auskommen.

Ueber seine Wirksamkeit in der dörflichen Volksschule, als Katechet und als Kreisschulinspektor ist in den neunziger Jahren ein Artikel in der Dürkenschen Lehrerzeitung (Paderborn, Ferdinand Schöningh) erschienen, zwar ohne Namen des Verfassers, aber es darf jetzt wohl verraten werden, daß er von dem verstorbenen Dechanten Brand in Bersen stammt, der selbst ein tüchtiger Schulmann und einer der bedeutendsten Schüler Lanwers war. Bei meiner beruflichen Vorbildung als Philologe – nebenbei seinem einzigen Schüler von dieser Fakultät – kann ich auf dies Thema nicht sachverständig eingehen und muß auf die erwähnte Abhandlung verweisen.

Pfarrer Lanwer erteilte besonders begabten Schülern seiner Gemeinde, die er sich öfters selbst aussuchte und heranholte, Unterrichtsstunden, um sie auf das höhere Studium vorzubereiten. Auch der Verfasser dieses Artikels genoß diesen Unterricht mehrere Jahre hindurch. (Wir verweisen auf den vor kurzem gebrachten Artikel zum 50jährigen Redakteur=Jubiläum Hermann Abels.)

Das Schulgeld war sehr gering, meist für das Vierteljahr nur ein Taler, Unbemittelte zahlten überhaupt nichts, erhielten vielfach noch die Schulbücher umsonst. Wenig Bemittelte höheren Studien entgegenzuführen, hatte er wenig Bedenken; wenn sie gut einschlugen, nahm er sich zu gegebener Zeit ihrer an und brachte es durch seinen weiten Bekannten= und Freundeskreis auch stets fertig, ihnen finanziell den Weg zum Berufsstudium zu ebnen. Ein intimer und durch seine Konnexionen besonders wertvoller Freund von ihm war z. B. Franz Hülskamp in Münster.

Der Ruf des Pfarrers Lanwer wegen seiner Unterrichtsmethode ist auch schon in das Ausland gedrungen. So hatten wir einen Mitschüler aus Holland namens Oostermann von etwa 14 Jahren, allerdings einen etwas windbeuteligen Gesellen, der aber auch flink lernte. Aus welchem Orte er stammte, ist mir entfallen. Ein zweiter Ausländer kam im Jahre vor dem deutsch=französischen Kriege, 1869, im Frühjahr aus dem fernen Bordeaux in Frankreich, Albert Labarthe, Sohn eines dortigen Großkaufmannes, um Deutsch zu lernen. Er war 16 Jahre alt, ein liebenswürdiger und religiöser Jüngling, der bei dem Pfarrer wohnte und seine Aufgabe recht ernst nahm. Wir hatten ihn gern, er lernte im Umgange von uns Deutsch und wir hinwiederum besonders die richtige Aussprache des Französischen. Gegen den Winter konnten wir uns gegenseitig schon recht gut verständigen und er hätte in einem Jahre sich jedenfalls gut auf Deutsch ausdrücken gelernt, wenn ihn nicht ein trauriges Schicksal getroffen hätte. Er wurde nämlich ein leidenschaftlicher Verehrer des in seiner Heimat unbekannten Schlittschuhsports, dabei zog er sich eine Erkältung zu, aus der sich eine Gehirnentzündung entwickelte, die seinen Tod zur Folge hatte. Sein Vater kam selbst herüber, um die Leiche seines Sohnes in Empfang zu nehmen und sie in heimatlicher Erde zu betten. Der tragische Tod ist dem Pfarrer, uns Schülern und der ganzen Gemeinde nahe gegangen.

Als einen ganz besonders wichtigen Zweig seiner seelsorgerischen Wirksamkeit sah Lanwer die Verbreitung guter Bücher in der Familie an und verwandte erhebliche Summen darauf, solche zu kaufen und sie dann bei geeigneter Gelegenheit zu verschenken, am liebsten in Form von Belohnungen für gute Leistungen an Schulkinder, die sie auf diese Weise in die Familien brachten und außerdem zum Wetteifer angeregt wurden. Mit Vorliebe wählte er Erbauungsbücher für die Jugend und Handpostillen, auch zeitgemäße Broschüren kamen in großer Zahl zur Verteilung. Wie er aus seinem kargen Einkommen die erheblichen Kosten zu bestreiten wußte, ist mir noch jetzt ein Rätsel.

In den letzten Jahren seines Lebens mußte Pastor Lanwer, da ihm sein Vikar, der seeleneifrige Heinrich Theißing, an einem Lungenleiden starb, allein die Seelsorge, vielfach mit Bination, versehen, und der Mangel an Zeit und auch an Kraft nötigte ihn, seine Unterrichtstätigkeit zunächst zu beschränken und sodann ganz einzustellen, was ihm jedenfalls viel Ueberwindung gekostet hat. Bis zum äußersten blieb er der treue Hirt seiner Gemeinde und widmete sich auch gewissenhaft seinem Amte als Kreisschulinspektor unter den schwierigsten Verhältnissen. Dann waren schließlich die Kräfte vollends aufgezehrt; bei einem Versehgang zog er sich eine leichte Lungenentzündung zu, der sein Körper nicht mehr gewachsen war: am 27. März 1877 hauchte er nach kurzem Krankenlager seine heiligmäßige Seele aus.

Sein Tod fiel in die Karwoche – Ostern war am 1. April – da blieb als Bestattungstag nur der Karsamstag. Keine Glocke durfte zur Leiche rufen, die Beisetzung nahm der hochbejahrte Dechant Korte von Aschendorf vor, während die Glocken zum Gloria in lautem Jubel erklangen. Um das Grab nördlich vom Chor der Kirche standen die Gemeindemitglieder mit gebeugtem Haupte, und wieviel Trauertränen in diesem Augenblicke auf die noch winterliche Erde geflossen sind, hat jedenfalls der Allwissende zu zählen nicht unterlassen.

Man muß sich dabei an die damaligen Verhältnisse erinnern, die der jüngeren Generation kaum noch faßbar zu machen sind. Es wütete der Kulturkampf, keine erledigte Seelsorgestelle durfte bei schwerer oder schwerster Strafe vom Bischof besetzt werden. Niemand wußte also was folgen werde, zumal Heede die erste infolge des Kulturkampfes völlig verwaiste Pfarrei im Bistum Osnabrück war. Diesen Empfindungen und Befürchtungen trug denn auch der Trauerredner Rechnung.

Es war ein außerordentlich liebenswürdiger junger Priester, Joh. Baute, Hausgeistlicher auf das Haus Nette, später lange Jahre Pfarrer in Messingen. Er hatte sehr oft dem Verstorbenen Aushilfe geleistet und war in Heede allbekannt und allbeliebt. Die Leichenrede war ebenso passend wie kurz, wie Bautes sämtliche Predigten. Sie ging von dem Gedanken aus, für den edlen Toten selbst brauche keine Träne zu fließen, denn er ruhe schon längst in Gottes heiligem Frieden, der gute Hirt, der sein Leben gegeben für seine Schafe.

Aber an seinem Grabe fließen andere Tränen: die der Trauer seiner verwaisten Gemeinde, welche die einzige im Bistum ist, die keinen Hirten mehr hat, die Tränen der Kranken und der Armen, der Kinder und Greise, die ihren Vater verloren haben. „Ein reineres und wärmeres Herz“, so fuhr der Redner fort, „hat nie in eines Priesters Brust geschlagen. Deshalb hat man ihn auch in weißem Gewande in den Sarg gelegt, in seiner Seelenmesse ist das Gloria gesungen, in ihr ist das Alleluja angestimmt, in ihr sind die Osterglocken geläutet.

Man legt ihm Kränze auf das Grab, man wird ihm auch ein Denkmal setzen; aber den schönsten Kranz und das schönste Denkmal muß ihm doch seine Gemeinde widmen. Diesen Kranz soll die Jugend der Gemeinde ihm winden, und der soll darin bestehen, daß keine Schande und keine Schmach gegen die Sittlichkeit und Reinheit die priesterlose Zeit beflecke. Das Denkmal sollen ihm die Eltern der Gemeinde errichten. Ihr seid jetzt das priesterliche Geschlecht und je öder es in der Kirche wird, desto mehr müsset ihr fortan das gemeinsame Gebet und die gemeinsamen religiösen Uebungen in euren Familien hehr und heilig halten. Das sei das Denkmal, das ihr setzet auf eures teuren Hirten dreimal heiliges Grab!“ Wer diese Worte gehört hat, dem sind sie unvergeßlich geblieben bis auf diese Stunde und deshalb sind sie hier so ausführlich berührt worden.

Aber es kam noch ein stummer Moment, der die voraufgegangenen an Herzenseindruck und Seelenschmerz weit übertraf. Nach der hl. Kommunion schritt der Dechant die Stufen des Hochaltars hinab an das Ewige Licht, zog es hinunter und löschte es aus! Ein Jammerschrei durchdrang die bis zum letzten Plätzchen gefüllte Kirche, auf den Augenblick war niemand gefaßt gewesen. Das Allerheiligste Sakrament, das Praesens Numen war aus ihr genommen, sie war vom erhabenen Hause Gottes zum einfachen Bethause geworden! Ein solcher Vorgang läßt sich nicht schildern – er kann nur erlebt werden.

Die Ostertage gingen in stiller Trauer vorüber, in der Kirche wurde Laiengottesdienst gehalten. Die meisten Gemeindemitglieder gingen zur hl. Messe nach Dörpen oder Dersum. Auch am Weißen Sonntag war, so weit ich mich erinnere, keine Messe, aber am zweiten Sonntag nach Ostern kam der hochw. Bischof Beckmann selber und nahm die Kinder zu ersten hl. Kommunion an.

Alsbald fand er auch Mittel und Wege, uns einen Priester wieder zu senden, einen jungen Seelsorger, der als solcher ganz in die Fußstapfen Lanwers trat; es war Herr Heinrich Nordhoff, dem auch ich für manche Wohltaten herzlichen Dank schuldig bin. Er hat die Gemeinde eine Reihe von Jahren geleitert, bis er nach der Wiederermöglichung der Anstellung von Pfarrgeistlichen Vikar in Papenburg=Untenende wurde und sodann zur großen Freude der Gemeinde nach dem Tode des trefflichen Pfarrers Stevens zehn Jahre Pfarrer von Heede. Dann wurde er nach Borgloh berufen, wo er vor einigen Jahren im Ruhestande gestorben ist.

Von Lanwers Seminarschülern wird wohl keiner mehr leben, von seinen Pfarrkindern in Heede sind nur noch wenige vorhanden, aber deren grauen Häupter neigen sich noch stets bei der Nennung seines Namens in begeisterter Dankbarkeit, bis sie im Jenseits mit ihm das Gloria in excelsis anstimmen, das in seiner Seelenmesse gesungen wurde!

 

*) Mündlich mir von zuständiger Seite mitgeteilt.

 

Quelle: Mein Emsland 8. Jahrgang 1932 Beilage zur Ems-Zeitung
Druck und Verlag: Buchdruckerei der Ems-Zeitung L. Rosell, Papenburg

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