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Buchausschnitte

Die dickste Linde Deutschlands.

H. Abels.

Beim Dorfe Heede an der Ems, Regierungsbezirk Osnabrück, Kreis Aschendorf, befindet sich eine Linde, welche folgende Größenverhältnisse aufweist: an der dicksten Stelle, wo die Krone an den niedrigen Stamm ansetzt, 17,90, in der Mitte des Stammes 14,60, am Fuße desselben 17,45 Mtr. Umfang; Höhe des Hauptstammes 3,90 Mtr., Gesammthöhe des Baumes etwa 22 Mtr. Dieser in der umstehenden Abbildung dargestellte Baum darf wol ohne Widerspruch als die dickste Linde Deutschlands bezeichnet werden.

Von dem verhältnismäßig sehr niedrigen Hauptstamme gingen ursprünglich 16 Seitenäste aus, zwei derselben mußten, da sie verdorrt waren, vor einigen Jahrzehnten entfernt werden, sodaß jetzt noch 14 übrig sind, von denen jeder einen Umfang von 1 bis 2 ½ Mtr. aufweist. Der Raum zwischen diesen blumenkronähnlich abstehenden Seitenästen bildet eine mit einigen Vertiefungen versehene Fläche, die für eine Tischgesellschaft von 20 Personen vollkommen hinreicht. In den letzten Tagen der Charwoche pflegen die nach katholischem Brauche das Dorf mit „Klappern“ durchziehenden Schulknaben den Baum zu besteigen; dann kann man oft genug 50 bis 60 Kinder in dem erwähnten Baume beisammenfinden.

Bis vor etwa zweihundert Jahren stand neben der Linde der Rittersitz Schärpenburg, dem adeligen Geschlechte v. Pinning gehörig, jetzt ist außer einigen Grundmauern und Gräben von der Burg nichts mehr übrig, die umgebende Landfläche und die Linde sind jedoch noch im Besitz der in Belgien und Holland lebenden Nachkommen der Ritterfamilie.

Aus welcher Zeit die Linde stammt, ist urkundlich nicht nachweisbar; daß sie ein sehr hohes Alter besitzt, lehrt der Augenschein auf den ersten Blick. Die Scherpenburg dürfte dem Rittersitz Heede, von welchem das etwa tausend Seelen zählende Dorf seinen Namen herleitet, an Alter wenig nachgeben; letzterer, jetzt im Besitze des Grafen v. Galen befindlich, kam bereits 1212 unter Bischof Otto I. durch Tausch an das Bistum Münster; man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß der altehrwürdige Baum schon damals seinen Schatten spendete.

In den letzten Jahrzehnten machen sich die Spuren des Alters an dem „Linnenboom“, wie er in der sonst lindenarmen Gegend weit und breit genannt wird, mehr und mehr bemerklich, ein weiterer Ast droht abzusterben, und die Wipfel der meisten übrigen Äste weisen viel dürres Holz auf. Leider geschieht zur Erhaltung des Baumes, welcher vielleicht noch die Zeit sah, da Hêr Walther von der Vogelweide sein „Under der linden“ sang, ganz und gar nichts. Dennoch macht derselbe in vollem Blätterschmuck und namentlich im Sommer mit seinen weithin duftenden Blüten auf den Beschauer als „Denkmal alter Zeit, des Deutschen Reiches Herrlichkeit“ einen imposanten Eindruck; man wird dem „Mäßigkeitsapostel“ Seling aus Osnabrück eine kleine Übertreibung gern verzeihen, wenn er in den vierziger Jahren angesichts der Heeder „dicken Linde“ dichtete:

„In Heede erhebt sich ein Baum wie ein Wald.

In viermal vier Stämmen, Jahrhunderte alt,

Ein Baum, der an Wuchse so stolz und so schön,

Den hat man noch nimmer auf Erden gesehn.“


Quelle: Illustrirte Zeitung. No 2444. 3. Mai 1890. 451

 

Hinweis: Rechtschreibung nicht verändert.

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