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Buchausschnitte

Die „Schriewtaofel“.

Als ich Ostern 1861 in die Schule kam und der Obhut des „lütken Magisters“ Eissing übergeben wurde – er hat später mehrere Jahrzehnte in Papenburg segensreich gewirkt, wo er auch gestorben ist – sah ich manche Schüler und Schülerinnen der Oberstufe mit einem gerade nicht leichten hölzernen Kasten von etwa 35 cm Höhe, 25 cm Breite und 5 cm Tiefe versehen, dessen Rückenbrett oben in eine Art Handgriff auslief.

Diesen brachten sie auf ihren Platz im Schullokal, um dann zur Schulmesse zu gehen. Ob von den Jetztlebenden noch jemand ihn benutzt hat? Er hieß „Schriewtaofel“, und weshalb er diesen Namen führte, habe ich Jahrzehnte lang nicht begreifen können, da er mit Schreiben und Schreibunterricht in keinerlei Beziehung stand und einzig und allein zum Einpacken und Tragen der Schulsachen benutzt wurde.

Für diesen Zweck war er aber sowohl wegen seiner unnötigen Schwere als seiner ganzen Beschaffenheit halber so unpraktisch wie nur denkbar, und es ließ sich kaum annehmen, daß jemals eine Schulbehörde ihn dafür vorgeschrieben oder geduldet hätte. Bei den vielen „Schriewtaofeln“, die man damals noch sah, war aber der Schluß nicht abzuweisen, daß ihr Vorhandensein auf eine allgemeine, wenn auch bereits überlebte Anordnung zurückgehen müsse.

Klarheit darüber ist mir erst geworden, als ich in Hermann Gröningers wertvoller „Geschichte emsländischer Moorkolonien“ (Lingen 1910) den Abschnitt über Schulzustände um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts durchlas. Dort heißt es S. 22 über Lindloh bei Rütenbrock (und es wird in den meisten ländlichen Orten nicht viel anders gewesen sein):

„Inmitten der Kinder brannte (im Winter) an der Erde ein Feuer. Jedes Kind mußte zum Unterhalte des Feuers täglich einen Torf unter dem Arm zur Schule mitbringen. (Habe ich in Heede auch noch besorgt H. A.)… Für die Kinder waren keine Pulte (Bänke) da. Sie saßen auf Holzklötzen oder Bänken ohne Lehne und Pult. Auf dem Schoße hielt jeder Schüler ein Brett, auf das die Schreibhefte usw. gelegt wurden.“

Zu meiner Schulzeit waren freilich längst ordnungsmäßige Bänke in den einzelnen Klassen vorhanden; aber bei der Zähigkeit, mit der man auf dem Lande am Hergebrachten festzuhalten pflegte, wurden noch in manchen Familien die vorhandenen alten Ersatzmittel für die ehedem fehlenden Bänke von Geschlecht zu Geschlecht weiter gebraucht, wenn sie auch noch so unbequem und lästig waren. Der Erfindungsgeist hatte sie – seit wann, ist nicht mehr festzustellen sogar „praktisch“ erweitert, indem das rückwärtige Brett für den ursprünglichen Zweck blieb und durch Anfügung eines aufschiebbaren schmalen Kastens Raum für die Sicherung der Bücher, Hefte und Schreibutensilien gewonnen wurde. Ob das Ganze dadurch erheblich schwerer wurde, kam nicht so sehr in Frage: es war dauerhaft und hat sich nach der Seite verschiedene Jahrzehnte lang „bewährt“. Der alte Name „Schreibtafel“ blieb aber nach wie vor.

H.A.

Quelle: Mein Emsland 6. Jahrgang 1930 Beilage zur Ems-Zeitung

Druck und Verlag: Buchdruckerei der Ems-Zeitung L. Rosell, Papenburg

  
 
 

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