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Adel und Städte des Emslandes und des Niederstiftes Münster zur Reformationszeit

Von Hermann Abels.

Für die Haltung der Städte und des Adels im Emslande wie in dem damit verbundenen Niederstift Münster bei Einführung der Reformation wie bei der Gegenreformation war nicht das religiöse Bedürfnis und die konfessionelle Überzeugung die eigentliche Triebfeder, sondern politische und wirtschaftliche Interessenfragen.

Als die Reformation seit 1538 in dieser Gegend festen Fuß faßte, stand sie kirchlich und weltlich unter Franz von Waldeck, der Fürstbischof sowohl von Osnabrück wie von Münster war. Es herrschte damals eine tiefgehende religiöse und noch mehr konfessionelle Gleichgültigkeit, die materiellen Belange konnten sich deshalb ohne wesentliche Förderung stark hervortun und die Herrschaft gewinnen. Franz von Waldeck hatte durch die Niederwerfung der Wiedertäufer in Münster 1533 sich einen bedeutenden Namen gemacht und einen Einfluß erlangt, wie ihn keiner seiner letzten Vorgänger in Münster noch in Osnabrück besessen hatte.

Der Adel verstand die Zeichen der Zeit nach der für ihn vorteilhaften materiellen Seite, und in seinem Streben nach der Gunst des Fürsten konnte er sich bei diesem durch nichts mehr empfehlen als durch den Übertritt zum lutherischen Bekenntnisse. Das sicherte ihm nicht nur einträgliche und einflußreiche Stellungen, sondern auch die größte Nachsicht bei seinem Verhalten gegen die Bauern, zumal die Erinnerung an den Bauernkrieg (1524 und 1525) bei den Fürsten noch lebhaft nachwirkte. Dabei besaß der Adel eine straffe Organisation, die in allen wichtigen Interessenfragen ein einheitliches Vorgehen ermöglichte. Es läßt sich zwar der urkundische Beweis nicht liefern, aber die Tatsache, daß der Adel des Niederstifts wie ebenfalls dessen weit überwiegende Mehrheit im Hochstifte Münster und im Fürstentum Osnabrück kurz nach 1540, soweit wir wissen, ausnahmslos der neuen Lehre zugetan und für diese seinen Einfluß einsetzend erscheint, legt die Vermutung nahe, daß bei diesem Übertritt die Organisation eine treibende Rolle gespielt hat. Wenn auch der Adel damals das gewöhnliche Volk an Bildung in etwa überragte, so war diese doch nicht tiefgehend; das sieht man sofort schon aus den ungelenken eigenhändigen Schriftstücken von Adligen der damaligen Zeit. Keinesfalls darf man bei ihm eine höhere religiöse Bildung voraussetzen, so daß wirkliche Gewissensmotive bei dem Übertritt in Betracht gekommen wären. Das ist übrigens auch noch von keiner Seite behauptet worden.

Nicht so klar ist die Feststellung der Beweggründe, die den Adel leiteten, sich der Gegenreformation wesentlich länger und entschiedener entgegenzustellen als die Bevölkerung des platten Landes. Von geistiger Hebung im Laufe des 16. Jahrhunderts kann in keiner Weise die Rede sein, in einer Zeit, in der nachgewiesenermaßen ganze Dörfer nicht einmal wußten, ob sie katholisch oder protestantisch seien. Es wird kaum wiederum ein anderer Grund zu finden sein als die Rücksicht auf die materiellen Interessen. Es standen sich damals die großen Verbindungen der protestantischen und katholischen Reichsfürsten, Union und Liga, gegenüber. Von ersterer war für den Adel an Besitz und Geltung mehr zu erwarten als von letzterer; zudem standen die Verhältnisse so, daß in den Adelskreisen ziemlich allgemein auf den Sieg der protestantischen Partei in dem großen Ringen um die Konfession gerechnet wurde. Das macht es leicht erklärlich, daß der Adel, zumal im Niederstift, wo die Aussicht der Union die weitaus stärkere zu sein schien, von seiner seit Jahrzehnten eingenommenen Stellung zu dem sich auf die katholischen geistlichen Fürsten stützenden Katholizismus nicht abweichen zu sollen glaubte.

Als in den Dingen für das münsterische Stift unter dem Kölner Kurfürsten Ferdinand von Bayern eine entschiedene Wendung eintrat – in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts – hat der Adel des Niederstifts auch alsbald den Anschluß zu finden gewußt. Über das Nähere sind wir nicht urkundlich unterrichtet, aber aus Einzelheiten ist zu entnehmen, daß in den vierziger Jahren der emsländische Adel sich wohl zum größeren Teile schon seit einiger Zeit wieder als katholisch fühlte. Um nur ein Beispiel anzuführen:

Im Jahre 1644 stiftete die Priorin des adligen Zisterzienserinnenklosters Gravenhorst bei Rheine, Walburgis von Heede bei Aschendorf, in der wieder katholischen Pfarrkirche zu Heede, einen Altar „zu Gottes Ehre undt ihrer gottsahligen Voreltern Gedachtniß“. Diese trat kurz nach 1600 dort ein, wohl noch als Protestantin, da der Name ihres Bruders Melchior im Jahre 1613 sich noch unter einer sehr entschiedenen Eingabe des niederstiftischen Adels an den oben genannten Landesherrn, Kurfürsten von Köln und zugleich Fürstbischof von Münster Ferdinand von Bayern um Gestattung der Beibehaltung des Augsburger Bekenntnisses für den Adel befindet.

Was nun die Städte des Niederstifts, Meppen, Haselünne, Vechta, Cloppenburg und das zu diesen zu rechnende Wildeshausen, angeht, so hatten diese seit dem 15. Jahrhundert, wie die Städte überhaupt, sich eine Reihe von Privilegien für ihre Selbstverwaltung mit Hilfe der Zünfte erworben und ihr berechtigtes Interesse bestand darin, diese gegenüber der Fürstengewalt aufrecht zu erhalten. Zwar hatte Münster nach der Niederwerfung der Wiedertäufer unter Franz von Waldeck sich eine starke Beschränkung gefallen lassen müssen, ebenso andere Städte des Hochstifts, welche der täuferischen Bewegung Vorschuß geleistet hatten, indessen waren inzwischen diese Rechte zumeist wiedererworben worden; die Städte des Niederstifts hatten sich aber an der kommunistischen Sektiererei nicht nur nicht beteiligt, sondern den Fürstbischof bei seinem Kampfe unterstützt und infolgedessen keinerlei Gegenmaßregeln erlitten. Nun aber war es bei der allgemeinen Lage der Verhältnisse und dem Streben des Fürsten so, daß je mehr dessen Gewalt gekräftigt wurde, die Freiheiten der Städte in Gefahr schwebten. Gerade von mächtigen geistlichen Fürsten setzte man dies am ersten voraus, und nicht ganz mit Unrecht: namentlich das Schicksal Paderborns nach der Niederwerfung des Wichartschen Aufstandes um die bürgerliche und kirchliche Freiheit bot ein tief wirkendes Warnungsbeispiel aus der Zeit um 1600. Deshalb begreift man unter Berücksichtigung des Tiefstandes der Kirchlichkeit, daß die Städte der Anschauung waren, ihr bürgerlicher Vorteil verweise sie auf die Seite des Augsburgischen Bekenntnisses; Gegenreformation und Städtefeindschaft galt dort vielfach als gleichbedeutend.

Im Hochstift Münster war mit der Gegenreformation in den letzten Regierungsjahren des Fürstbischofs Ernst von Bayern mit Rücksicht auf die allgemeinen Verhältnisse zaghaft begonnen worden; als 1612 dessen tatkräftiger Neffe Ferdinand zur Regierung kam, wurde mit ihr Ernst gemacht und damit setzte aus den angedeuteten Gründen auch der scharfe Widerstand der Städte ein. Dieser übertrug sich auf das Niederstift, und wie die Stadtverwaltungen dort bei der Einführung der Reformation leitend waren, so auch jetzt bei der Behinderung der Durchsetzung des landesherrlichen Rechtes des „Cuius regio, eius religio“, der damaligen reichsgesetzlichen Befugnis des weltlichen Herrschers, das Religionsbekenntnis seiner Untertanen zu bestimmen, wobei nach dem sog. geistlichen Vorbehalt noch in Betracht kam, daß in den geistlichen katholischen Fürstentümern, zu denen ja Münster zählte, das Recht der Einführung des evangelischen Bekenntnisses keine Gültigkeit hatte.

Offenbar hatte aber auch in den Städten der Protestantismus viel mehr Wurzel geschlagen als auf dem platten Lande. Dennoch waren es nur zum geringeren Teile konfessionelle Rücksichten, aus denen die Stadtverwaltungen mit Unterstützung durch d. Bürgerschaft mit großer Zähigkeit der Gegenreformation sich entgegenstellten. Der Geist des fürstlichen Absolutismus, der, wie schon angedeutet, im 17. Jahrhundert auch in Deutschland das herrschende Prinzip wurde, lag bereits in der Luft und die Städte mit ihren Sonderrechten mußten, das fühlte man instinktiv heraus, nebst den ihren bürgerlichen Mittelstand vertretenden Zünften und Gilden das nächste Ziel des Angriffs eines machtvollen Herrscherwillens werden. Es konnte daher nicht zu ihrem Vorteil nach der rechtlichen Seite gereichen, wenn die über eine Reihe von geistlichen Fürstentümern in West- und Norddeutschland gebietenden Kölner Kurfürsten in die Lage kamen, durch Vereinigung der geistlichen und weltlichen Macht ein selbstherrliches Regiment aufzurichten, wie die letzten Jahrhunderte es nicht gekannt hatten und wie es überhaupt dem geschichtlichen deutsch. Wesen nicht entsprach. Sich dagegen zu wehren, war unleugbar das gute Recht der Städte, die damit zugleich das Wohl des Landvolkes gegen die manchmal brutalen Übergriffe des im Emslande und im übrigen Niederstifte viel zu zahlreich gewordenen Adels wahrten.

 

Quelle: Mein Emsland Jahrgang 1931 Beilage zur Ems-Zeitung

Verlag: Buchdruckerei der Ems-Zeitung L. Rosell, Papenburg

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