Von Hermann Abels - Paderborn.
"Der Name ist Schall und Rauch" lautet zwar ein bekanntes Dichterwort, und der emsländische Bauer sagt: "'t is gliek, wo't Perd hett, wenn't man goud splett", was weniger auf das Pferd gehen soll als auf die Namensgebung für Kinder. Etwas so Gleichgültiges ist indessen der Name keineswegs, sondern in jedem Namen, möge er einen Hügel, Fluss, Weg, bewohnten oder nicht bewohnten Ort, eine Person oder ein Tier, gar nur ein Insekt oder eine Pflanze benennen, liegt etwas "Bezeichnendes" auch im übertragenen Sinne.
Diesem nachzugehen und ihn in seiner ursprünglichen Bedeutung wiederzufinden, ist die Aufgabe der zu einer besonderen Wissenschaft gewordenen Namensforschung, deren Gebiet bei der unendlichen Zahl von Namen eine unübersehbare Ausdehnung hat. Es gibt Namen, die auf Jahrtausende zurückgehen, aber auch solche, die erst in jüngster Zeit gebildet sind, und von Jahr zu Jahr erhalten sie starken Zuwachs. Jeder Name hat irgendeinen Sinn, mag er sich an die äußere Erscheinung anlehnen oder irgendeinem Zufalle oder gar dem Scherze und Witze seinen Ursprung verdanken. So ist es in unseren Tagen, so ist auch in ähnlicher oder gleicher Weise vor Jahrtausenden gewesen.
Wenn wir es versuchen, einen kurzen Abstecher in die Namen bewohnter Ortschaften unseres Emslandes zu machen und einige mit diesen in Beziehung stehende Flurnamen anzugliedern, so greifen wir nur einen zahlenmäßig kleinen Teil der emsländischen Namen heraus, aber müssen uns von vornherein darüber klar sein, dass wir auch auf diesem kleinen Gebiete zwar nicht zwischen Klippen wandeln, weil es solche im Emslande nicht gibt, wohl aber unter Dornen und Gestrüpp. Das Emsland bildet bekanntlich das älteste Kulturgebiet in Norddeutschland; schon viele Jahrhunderte vor seiner kurz vor Christi Geburt mit den Römern anhebenden Geschichte muss es von Völkerschaften, deren Herkunft wir nicht mit Sicherheit feststellen können, besiedelt gewesen sein, und zwar zum Teile ziemlich dicht. Wo es aber Siedlungen gibt, und wenn sie auch nur Einzelsiedlungen sind, werden Ortsnamen nötig, und diese vererben sich erfahrungsgemäß zum größten Teile von Geschlecht zu Geschlecht, auch an später eindringende Völkerschaften mit anderer Sprache. Aus diesem Grunde begegnen uns im Emslande manche Ortsnamen, die für ihre Ursprungsform jeder annehmbaren Erklärung Widerstand leisten, weil uns das Stammwort oder die Stammwörter aus der Sprache der Völkerschaften jener Urzeit nicht mehr in ihrer Bedeutung bekannt sind. Sodann kommt als zweiter wichtiger Umstand hinzu, dass, wie ein Werkzeug vom langjährigen öfteren Gebrauche abschleißt und an seiner ursprünglichen Form einbüßt, so auch die täglich sich im Munde der Bewohner befindenden Ortsnamen im Laufe der Jahrhunderte abschließen und auf die Dauer geradezu unkenntlich werden. Deshalb dürfen wir für die Namen sämtlicher älteren Ortschaften uns n i e m a l s mit der g e g e n w ä r t i g e n, häufig arg entstellten Form begnügen, sondern müssen herauszufinden suchen, wie sie zur Zeit ihres ersten bekannten Auftauchens und dann später in Schriften, Urkunden und Büchern geschrieben wurden. Aber auch dabei ist noch Vorsicht zu üben. Man muss sich nämlich zu vergewissern suchen, wo der alte Schreiber seinen Wohnort hatte und woher er s t a m m t e, ob er den erwähnten Ort selbst gekannt haben dürfte oder solche Vorlagen hatte, nach denen er den Namen so zu fassen vermochte, wie er im O r t e s e l b s t gesprochen wurde. Da das Emsland im frühen Mittelalter zu den abgelegenen Gegenden gehörte und zum Teile von damals weiterer Ferne aus verwaltet wurde (Münster, Corvey usw.), bietet sich für die Wahrscheinlichkeit der richtigen ältesten Feststellung noch eine besondere Schwierigkeit.
Von vornherein muss man sich bei der Forschung nach der Bedeutung der alten Orts- und Flurnamen vergegenwärtigen, dass diese nur in ganz verschwindenden Fällen aus der Ferne geholt und niemals willkürlich gewählt sind. Die allermeisten sind direkt aus der A n s c h a u u n g gewonnen, aus hervorragend in die Augen fallenden Eigenschaften des zu besiedelnden Geländes, wie hohe und tiefe Lage, Erhebungen, Baum- oder sonstiger Wildfruchtwuchs, Flüsse, Bäche, Teiche, Sümpfe usw. Die ältesten Ansiedlungen sind stets mit natürlich hervortretendem Trink- und Gebrauchswasser versehen, da man das Brunnengraben bei niedrigem Grundwasser noch nicht genügend verstand. Ein anderer Teil hat seinen Namen vom ersten oder hervorragendsten Ansiedler, um oder auf dessen Besitz sich die späteren gruppierten; eine kleinere Zahl von Ortschaften nannte sich auch wohl nach ungewöhnlichen Eigentümlichkeiten des Platzes. Da die Stammwörter, aus denen in unserm Emslande die Benennungen vor vielleicht zweitausend Jahren oder noch früher erfolgten, uns jetzt in ihrer Bedeutung zum großen Teile abhanden gekommen sind oder ihren Sinn geändert haben, und ferner viele Namen fast von Jahrhundert zu Jahrhundert in verschiedener Form überliefert worden sind oder umgekehrt trotz ihres zweifellosen Alters in schriftlicher Wiedergabe erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit bekannt sind, entsteht daraus ein weiteres Hindernis, was nur durch Vergleichung ähnlicher, dieselbe Herkunft verratender Ortsnamen zu Wahrscheinlichkeitslösungen führen kann, wenn überhaupt noch ein Erklärungsversuch möglich ist. Dabei muss freilich die Phantasie mitwirken; aber der Forscher muss sich hüten, auf die g e g e n w ä r t i g e Form zuviel zu geben und zweitens die Einbildungskraft über das prosaische N a h e l i e g e n d e hinausschweifen zu lassen. Dass für das Ganze gründliche Kenntnisse der Geschichte der altdeutschen Sprache, der ihr verwandten Sprachen und namentlich auch auf mundartlichem Gebiete notwendig sind, bedarf keiner Erwähnung.
In der neuesten Zeit ist eine gewisse Sucht aufgekommen, bei alten Ortsnamen v o r - c h r i s t l i c h e Heiligtümer oder Opferstätten zu vermuten. Diese sind gewiss vorhanden gewesen, aber sie dienten einem großen Bezirk und waren daher s e h r v e r e i n z e l t, und dabei muss man sich noch besonders hüten, was an die nordische Mythologie anzuklingen scheint, ohne Kritik einfach auf die deutsche zu übertragen, von der wir nur sehr wenig sicher wissen. So wollte man z. B. vor nicht langer Zeit in dem Namen des Dorfes Bokeloh den Beweis für ein altes Heiligtum des Thor finden. Ganz einfach: Bok heißt Bock, dieser war dem Thor heilig; Loh ist Gehölz, also ist Bokeloh das Gehölz gewesen, wo dem Thor Böcke geopfert wurden. Tatsache: Thor war ein nordischer, kein deutscher Gott; ob Donar mit ihm ganz gleichbedeutend war und Donar auch Böcke geopfert wurden, ist nicht bewiesen. Der Bock heißt übrigens in altsächsischer Zeit nicht Bok, sondern Buck; Boke ist immer die Buche. Aber Bückelte - wendet man ein - da haben wir doch den Buck. Gemach: der Name des Ortes hieß in alter Zeit Boclithi, was buchenbestandener Abhang bedeutet. Auch hier kommt also das Opfertier ungeschlachtet davon. Im ganzen Emslande ist kein altheidnisches Heiligtum aus Namen oder sonstigen Anzeichen mit irgendwelcher Sicherheit nachzuweisen, vielleicht allerdings ein oder anderes unsicher zu vermuten.
Wenn wir uns mit der Deutung der Ortsnamen befassen, müssen wir uns zuvörderst gegenwärtig halten, dass, wie die Personennamen, so auch die Ortsnamen ursprünglich fast ausnahmslos aus z w e i W o r t s t ä m m e n zusammengesetzt waren: dem allgemeineren G r u n d w o r t (GW) und dem engeren B e s t i m m u n g s w o r t (BW), wobei das l e t z t e r e den A n f a n g des Gesamtwortes zu bilden pflegt. Da der Hauptton auf dem BW liegt, schleift sich das GW im Gebrauche am meisten ab und wird mit der Zeit vielfach bis zur Unkenntlichkeit verkürzt. Eine Anzahl dieser häufig wiederkehrenden und zum Teile verkürzten Grundwörter (GW) möge aus praktischen Gründen, zuerst aufgeführt werden. Durch Anführung von Beispielen bietet sich zugleich dabei Gelegenheit, den Versuch der Erklärung einzelner Orte vorwegzunehmen.
e g g e findet sich häufiger nur in gebirgigen und hügeligen Gegenden als langgestreckter Höhenzug; im Emslande bedeutet es auch Ende, Kante: "sülfegge" seitlicher Abschluss eines Gewebes. Er findet sich bei uns nur in L a n d e g g e; 1190 Landecke, 1283 Landegge.
i k e findet sich im Emslande nur mäßig sicher in N ö d i k e, einer aus einer Einzelsiedlung erwachsenen uralten Ansiedlung bei Meppen, als Nadigi erwähnt im 11. Jahrh. Ableitung des BW wie des GW zweifelhaft. An eke, Eiche, kann wegen des kurzen i wohl kaum gedacht werden. Auch anderswo vorkommende ähnliche Bezeichnungen sind dunkel, so Ikenberg, Anhöhe nördlich am Dom in Paderborn, Delecke bei Soest, Belecke bei Lippstadt, Böddeken, ehem. Kloster im Kr. Büren.
i n g, i n g e n bedeutet: herkommend, abstammend von…‚ scheint aber auch für Häusergruppen verwendet zu sein. Im Emslande W i p p i n g e n wohl von Wübbe, Kosename für Willibald, was sich auch in Süddeutschland und der Schweiz findet. Als Häusergruppe, Daringon oder Deringon für das heutige D ö r g e n bei Meppen um 1000.
Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch hier ein alter Personenname zugrunde liegt.
I n a, i n i, i n e, i n u n, e n a n, e n u n, u m, u n, e n e, e n kommen in zahlreichen Ortsnamen in Form einer Endung anstelle eines abgeschlissenen GW vor, ohne dass sich entscheiden lässt, ob sie auf dasselbe oder auf mehrere ursprüngliche alte Wörter zurückgehen; auch kann in manchen Fällen ein Dativ Plurs vorhanden sein. Viel Wahrscheinlichkeit hat die Meinung für sich, dass in allen diesen "Endungen" das allgemeine Grundwort mit der Bedeutung "Siedlung" steckt Das gegenwärtig im Emsländischen häufige u m ist eine jüngere Form, die zum Teile an die Stelle älterer getreten ist, z. B. D e r s u m statt Dersinun, W a l c h u m für Walkiun, B o r s u m für Bursina oder Brussina (ru und ur wechseln leicht). Wenn hem, heim auch die gleiche Bedeutung haben mögen, so ist für das Emsland doch nicht damit gesagt, dass das um sich aus hem oder heim entwickelt hat, da das Stammwort Heim sich im emsländischen Eigenwortschatze nicht findet, wohl aber in den von Friesland beeinflussten Küstengebieten. So ist das in alter Form auftretende Borzhem, jetzt Borssum bei Emden, genau dasselbe Wort wie das alte Bursina, jetzt Borsum bei Rhede, Borsum bei Aurich, Borsum bei Hildesheim. Das gleiche BW dürfte in manchen anderen Ortsnamen liegen, wie Borsdorf in Oberhessen, Borsbach bei Odenthal, Borsberg bei Dresden, Borscheid bei Neuwied usw. Die versuchte Ableitung des emsländ. Borsum von "Possem" (Gagelstrauch, Myrica gale) ist fraglich, da diese Benennung sich nur auf ein kleines Gebiet beschränkt. Es scheint ein alter Stamm zugrunde zu liegen, dessen Bedeutung wir nicht mehr kennen. (Im Altnordischen heißt borß weggr Ringwall (Voluspa 24,3, Hildebrand-Gering, Edda, 3. Aufl.).
l i t h i findet sich sowohl als BW wie als GW und bedeutet abhängendes Gelände. Beispiele finden sich in ganz Deutschland zahlreich. Als GW steht es in dem schon erwähnten B ü c k e l t e, alt Boclithi, als BW, in L e h e bei Aschendorf, dessen Gelände nach der Ems zu abhängt. Bis zu dem 18. Jahrh. findet sich dieser Ort stets als Lede bezeichnet. Vgl. auch Lähden im Hümmling.
h a r ist im Emslande eine trockene, unfruchtbare Anhöhe, bei der mehr auf die ersteren Eigenschaften als auf die Erhöhung Gewicht gelegt wird, also zumeist eine Sanddüne. Als Flurname ist es häufig; als GW findet es sich in B r a m h a r: mit Besenginster bewachsene Anhöhe, als BW in H a r e n, das zu Anfang des 9. Jahrh. Harun genannt wird, allein in der Bauerschaft H a a r bei Lindloh.
h ö r s t haben wir m. W. nur als GW in der Schiphörst, einer früher nur mit dem Kahn erreichbaren kleineren Weidefläche bei Heede (auch in Warendorf), allein in einer großen Sommerweidefläche an der Ems bei Niederlangen und sonst.
i t h i, e d e ist ein sehr verbreitetes GW, dessen Urbedeutung Flur im allgemeinen gewesen sein dürfte und später mehr auf eine solche eingeschränkt wurde, die ohne erheblichen Baumwuchs hauptsächlich als gemeine Weide benutzt wurde. Deshalb haben auch die damit verbundenen BW die verschiedenste Bedeutung und bezeichnen meist sehr alte Ansiedlungen. Im Emsl. haben wir an alten Namen mit diesem GW u. a. B e r s e d e bei Haren, dessen unerklärtes BW sich auch noch in B e r s e n, alt Birsun um 1000, findet, B a k e r d e, dessen BW baker sich ebenfalls nicht deuten lassen will, H e l t e, alt Hellithi um 1000, dessen BW helle mehrfach vorkommt und zumeist als langgezogene Erhebung erklärt wird; vgl. z. B. Hellefeld, Kr. Arnsberg.
l o, auch l a überhaupt Gehölz: B o k e l o h, B o k e l, L i n d l o h, L i n t e l s. o.,
S p r a k e l bei Sögel = Faulbaumgehölz; W a t e r l o h zeitweise im Wasser liegendes oder von Wasserbespültes Gehölz; V a r l o h bei Meppen (far ? Schaf vgl. Faröer, Schafinseln), also ein solches, das mit Buschwerk bestanden zugleich als Schafweide diente. Auf dem Hümmling finden wir um 100 Widropla oder Witharplo, jetzt W e r p e l o h, bei dem das BW nicht mehr einleuchtend zu erklären ist; vielleicht Personennamen.
r i e d e ist ursprünglich eine Stätte, wo Schilfrohr (Riet, Rait) wuchs, also eine am Wasser gelegene und von diesem bespülte. In Norddeutschland ist der Name selten; am bekanntesten ist wohl die Eilenriede bei Hannover. In unserer Gegend haben wir nur in Meppen die B o r g r i e d e, und auch dieser Name scheint aus jüngerer Zeit zu stammen und vielleicht bei dem Bau der Burg von Münster aus hereingebracht zu sein, da wir im Emsl. für Schilfrohr nur die Form Rait kennen. (Nebenbei bemerkt: der emsl. Dialekt hat kein ei, sondern nur das gutturalei ai, wobei stets zwischen a und i ein stammhaftes j, h oder g ausgefallen ist.)
t a n g e ist eine schmale langgestreckte Sandzunge zwischen Moorgelände. Als Ortschaft findet sich die Bezeichnung nur jenseits der holl. Grenze in B u r t a n g e: die Tange, auf der ein Wohnhaus steht (bur, vgl. "Vogelbauer"). In Flurnamen kommt tange öfters vor, z. B. H a h n e n t a n g e bei Rütenbrock: die Tange, in der sich die Kurrhähne aufhalten, die Kolltange bei Heede.
t e r ist jeder auf der Wurzel stehende Baum oder Strauch. Wir finden es als GW in Hilter, alt Helderi = Fliederbaum. In E s t e r, Gehöft bei Ahlen, steckt Esche: ask und ter, nicht aber in Esterfeld bei Meppen, da die älteste bekannte Form Ezi lautet, wofür bisher keine genügende Erklärung gefunden ist.
t h r o p, t h o r p ist eine kleinere oder größere Zahl zusammenstehender Wohnhäuser im Gegensatz zu den Einzelgehöften. Als GW findet man es oft mit einem Personennamen verbunden, der die Begründer angeben dürfte, z. B. Thunglasthorpe, T u n x d o r f bei Aschendorf: das Dorf des Thungla. Wahrscheinlich ist auch A s c h e n d o r f selbst hierhin zu rechen, da zwar nicht die älteste, wohl aber altertümlichste Namensform Asikinthorpe lautet (891). In dem BW kann ein regelrechter Genitiv des Namens Asiko oder Asik liegen. Die älteste bekannte Form lautet dagegen Ascanthorp (um 850 bis 860, Mepp. Ukdb. S. 4), was auf Esche deuten kann.
Auf dem Hümmling haben wir la in Lorup, das zwar erst um 1000 im Corveyer Register als Ladorpp erscheint, aber ohne Zweifel zu den ältesten Ortschaften des Hümmlings zu rechnen ist. Im benachbarten Oldenburgischen bis ins Bremische hinein scheint lo oder la eine sumpfige Waldwiese bezeichnet zu haben, was an das ags. leah, Wiese erinnert und auch für den Hümmling zutreffen kann. Als BW findet sich im Emsl. thorp nur in Dorbun,
D ö r p e n, was auch für ein hohes Alter dieses Ortes zu sprechen scheint. Es wird zuerst im Corveyer Register um 1000 genannt, muss aber damals schon nicht unbedeutend gewesen sein.
w i t u, w e d e, auch wohl später zu wege oder wehe entstellt, bedeutet Holz im Allgemeinen. Gestrüpp wie Baum, auch trockenes Holz. Wir haben es in E s t e r w e g e n auf dem Hümmling; der alte Name ist Hesterwede. (S. unten.) Als BW erscheint es in
W e h m (Hümmling) zu stecken: um 1000 Widem; das dort ebenfalls vorkommende Bidem dürfte Schreibfehler sein.
w o l e, w a l d findet sich im eigentlichen Emsl. nicht; dort wird für Wald nur das allgemeinere "Holt" gebraucht. Dagegen begegnet es uns einige Mal auf dem Hümmling, wobei es fraglich bleibt, ob es dort urtümlich oder auf den bekannten friesischen Einfluss zurückzuführen ist. Wir finden es als GW in B ö r g e r w a l d oder in O s t e n w a l d, Als BW in W a l d h ö f e, sämtlich Bezeichnungen, die auf jüngeren Ursprung schließen lassen.
Einzelne Ortsnamen
Beginnen wir mit M e p p e n. Die Stadt ist aus Einzelsiedlungen entstanden, die an der Mündung der Hase in die Ems lagen. Die Mündung scheint auch dem Orte seinen Namen gegeben zu haben. Meppe ist nämlich ein uraltes deutsches Wort, was Mund bedeutet, und da Mund auch für Flussmündungen benutzt wurde, (man vergleiche nur Rurmond, Münden, Gemünd), so liegt es nahe, dass auch hier die Bezeichnung meppe auf Mündung übertragen ist und sich in dem Ortsnamen wiederfindet. Das stimmt auch mit dessen alten Formen recht gut. Die älteste in "Meppea" und steht in der um 850 geschriebenen Vita secunda S. Liudgeri (Mepp. Ukdb. S. 4). Wenn wir die Latinisierung a weglassen, haben wir genau das alleinstehende meppe. In den etwas später auftretenden Formen Meppin und Meppen bildet das n einen sehr häufigen Zusatz für Orts- und Flurnamen, den wir in den meisten Fällen nicht mehr mit Sicherheit erklären können (vg. oben); vielfach scheint der abgeschlissene Rest eines BW darin zu liegen. - Die neuerdings versuchte Erklärung von mapel, Feldahorn, ist schon wegen des stammhaften m abzulehnen, für dessen Abfall kein Grund zu finden ist. (Vgl. unten Apeldorn). Das holländische Meppel hat also mit dem Namen Meppen nichts gemein.
In T e g l i n g e n wird eine sehr alte Volksversammlungstätte gewesen sein. Techt bezeichnet einen Gerichtsplatz, was auch in diesem Falle zutrifft, da die Ortschaft auf einen seit dem 9. Jahrh. erwähnten Markengerichtsplatz zurückgeht, der Techtlingi genannt wird. Auf diesem wurde bekanntlich noch bis in die neuere Zeit das bäuerliche Holzgericht (Hölting) abgehalten. Linge oder lingen begegnet uns in verschiedener Bedeutung: als Bach- Flur- Hofname: Linge, Flüßchen in der holl. Prov. Geldern, Maschlinge, Flur im Kreise Lübecke, Linge Hof bei Ankum, Gröplingen (Grope = Grube), Bsch. Bei Warendorf, Diethe, Dorf bei Stolzenau a. d. Weser, alte Bezeichnung Thetlingi usw.
Der K o l l h o f f, alt Codenhove bei Meppen, war Wohnsitz der Pröbste von Meppen bis zur Erhebung Meppens zu einer befestigten Stadt (1365). Der Name bietet für eine wahrscheinliche Erklärung Schwierigkeiten. Zunächst könnte man an das alte Wort "kolle" denken, was noch jetzt für einen runden weißen Fleck an der Stirne der Pferde und des Rindviehes gebraucht wird, im Gegensatz zur "Blesse", die einen längeren, nach unten sich verengernden dreieckigen Streifen bezeichnet. Also vielleicht Grundbedeutung rund. Kolltange bei Heede heißt ein rundlicher Sandbezirk im Moore. Danach könnte ein Koldenhof ein solcher sein, dessen Gebiet rund um ihn herum läge. Vgl. das noch blühende flämische Adelsgeschlecht van Coudenhove, sowie die Koldeweyge: 1555 erhielt urkundl. Johann Caneman to Lutken Hesepe zu Lehen ein "overbruk (Abbruch am Ufer) geheiten de Koldeweyge." Hier kann auch ebenso gut eine "kalte Weide" gemeint sein. Bei den Maurern findet sich auch noch die Bezeichnung "kalt mauern", d. h. ohne Verschmieren der Fugen, damit das Sickerwasser besser ablaufen kann. Also Hof mit locker gefugtem Mauerwerk? - Übrigens ist die Bezeichnung Caldenhof, Kaldenhof, Kaldenhofen, Kaltenhof, Kaldenhof für Gehöfte recht zahlreich; es gibt mindestens 25, davon mehr als die Hälfte auf westfälischem Boden ein Zeichen, dass ein allgemeines Grundwort dahintersteckt. Windthorsts Geburtsstätte war bekanntlich der Caldenhof bei Osterkappeln.
H e s e p e birgt in sich zwei Wortstämme von hohem Alter. Es tritt uns zwar erst in den Corveyer Registern um 1000 entgegen als Hasba, 1181 erscheint es bereits in der jetzigen Form Hesepe. Im Osnabrückischen finden wir an der Hase 1169 ebenfalls ein Hesepe als Hesbe, das Dorf Hespe bei Stadthagen heißt 1284 gleichfalls Hesepe. Sodann beiten dieselben Stämme wohl Haspe i. W. und die Höfe Hespe bei Allendorf i. W. und bei Diepholz. Das GW epe, alte Form apa, findet sich hundertfach in ganz Deutschland, am meisten im Sauerland, und bedeutet überall einen kleinen Wasserlauf. Man will darin das sanskr. Ambhas, Wasser, lat. amnis, alt ambnis, sowie auch das griech. ombros, lat. imber (Platzregen) und ebenfalls das keltisch-irische abh, Fluß, finden, also kurzum ein indogerm. Urstammwort. - Schwieriger zu deuten ist das BW has oder häs (stets lang gesprochen: Häsepe). Die alte Form Hasba (wohl richtiger Hasapa) kann für unser Hesepe ihr has nicht vom Hasefluss herleiten, abgesehen davon, dass dann eine den alten Ortsnamen fremde Doppelung vorläge. Has und Haas findet sich in Ortsnamen häufig, ohne einen einheitlichen Schluss zuzulassen; in vielen Fällen ist wohl an den fruchtsamen Vierbeiner nicht zu denken. Auch Hees, Hse, hes haben wir in Zusammensetzungen wie Hesedorf, Hesdorf, Hesberg, Hesborn, Hesel; aber auch hier bietet sich nichts Sicheres. Nach Jellinghaus "Westfälische Ortsnamen" ist has oder hees Bezeichnung für einen Busch- oder Gestrüppwald; eine Meinung, die kaum hinreichende Begründung zu haben scheint, wie wir auch in unserem emsl. Wortschatze keinen Beleg dafür haben. Eher ist an die Bedeutung has = dunkel, Nebel, zu denken, was auch auf das Wasser der Hase gut passt.
Bei A p p e l d o r n um 850, alt Apaldrun, sind wir wieder auf festem Boden. Das nicht mehr sicher deutbare un ist schon oben erwähnt; im übrigen Wortteil tritt das GW als dr = ter und das BW in apul klar hervor. Es ist das nordische apaldr, was zunächst Apfelbaum, dann auch Baum überhaupt bedeutet (vgl. Gering, Glossar zu den Liedern der Edda, 4. Aufl. 1915, s. v. apaldr.) das ter, Baum mit un ist später nicht mehr verstanden und, wie in manchen gleichen Bildungen, zu dorn umgedeutet. Dieselbe Benennung für Ortschaften und Höfe ist nicht selten: Apeldoer bei Heide in Holstein, Apelder bei Eupen, Apelern bei Rinteln, Affoldern bei Wildungen, (Lautverschiebung!) Afhölterbach bei Erbach, Affolterbach bei Heppenheim, Apfeltrach (ach = Wasser) bei Mindelheim in Bayern, Apfaltersbach und Apfaltersberg in Oestereich u. d. Enns, Apfelbaum bei Gummersbach und an der holl. Grenze Apeldoorn. (Die versuche Ableitung von mapeldorn = mapelter ist sprachlich nicht haltbar, da das m zu Anfang nicht verloren zu gehen, wohl aber unorganisch durch Zusammenziehung zugesetzt zu werden pflegt, z. B. Maspern, Stadtteil von Paderborn, aus "im Aspern" (Espengehölz).
F u l l e n bei Meppen kann mit dem althochdeutschen volo, Pferd, zusammenhängen, das uns schon in den Merseburger Zaubersprüchen erhalten ist ("Do wart deme Balders volon sin fuoz birenkit"); aber es ist auch denkbar, dass die alte Form Vollen ebenso wie das an der ostfriesischen Grenze gelegene Völlen den Stamm fole (volde, valde) in sich schließt, der Hürde bedeutet. Dieser Stamm liegt auch wohl in Voltlage bei Bersenbrück, in dem Flurnamen ton Volen bei Gütersloh, in Fuhlen, Dorf bei Rinteln. - Das alte o erleidet bekanntlich in unserem Dialekte eine Trübung zu u, wenn ein l, m, n darauf folgt.
H u s bezeichnet in alter Zeit nicht jedes beliebige zu Wohnzwecken bestimmte Gebäude, sondern vorzugsweise ein für sich gelegenes großes herrschaftliches Besitztum, zumeist mit Unterhöfen, dessen besonderer Unterschied von Burg darin bestand, dass es nicht den Zweck hatte, zur Abwehr gegen Feinde zu dienen. Das schloss nicht aus, dass das eigentliche herrschaftliche Gebäude mit den Vorratsräumen, wie bei den meisten Höfen, mit Wall und Strauchwerk, auch wohl mit einem Graben umgeben war. Das Kennzeichen war das Fehlen des Turmes, des "Bergfrieds".
Diese später meist als Haupthöfe bezeichneten Siedlungen leiteten sich noch aus der heidnischen Zeit her und wurden vielfach, nachdem die auf ihnen sitzenden sächsischen Edelinge in den Sachsenkriegen zum größeren Teile gefallen oder ihres Besitzes verlustig erklärt waren, an königliche Beamte oder verdiente Militärs vergeben. Die Bezeichnung "Haus" pflegte aber zu bleiben. So u. a. Haus Lotten und Haus Hamme bei Haselünne, Haus Holte auf dem Hümmling, Haus Heede bei Aschendorf (im Gegensatz zu diesem die in nächster Nähe liegende spätere "Schärpenburg"). Mit der Zeit verdunkelte sich dieser Begriff und auch Burgen wurden als "Haus" bezeichnet, so die Burg Nienhaus bei Aschendorf. Aber die Bedeutung des alten Namens blieb noch in Erinnerung; daher der Name Haus Dankern, das 1680 an der Stelle der verschwundenen Burg erbaut wurde, und sogar noch Haus Düneburg bei Haren um 1760.
H u s e n kommt selten für sich allein vor und bezeichnet dann eine kleine Zahl zusammen liegender alter Einzelhöfe. Wir haben im Emsl. nur ein solches zwischen Düthe und Steinbild. Andere finden sich nur in Westfalen als ebenfalls kleine Dörfer oder Bauerschaften: je eins bei Dortmund und Büren und drei in der Nähe von Lübbecke; vereinzelt kommt ein Weiler dieses Namens bei Geldern am Niederrhein vor. Im oberdeutschen Sprachgebiet findet sich dagegen "Hausen" mehr als hundertmal, ebenfalls fast nur für kleinere Orte, und "Haus" 51 Mal für Einzelbesitzungen und Weiler.
Mit dem GW Husen z u s a m m e n g e s e t z t e Namen von Ansiedlungen und Ortschaften sind über das ganze nordwestliche niederdeutsche Sprachgebiet zu vielen hunderten verbreitet; dabei ergibt sich nach der Zählung von Jellinghaus die Eigentümlichkeit, dass sie zu etwa 90 Prozent in ihrem BW auf alte deutsche Personennamen hinweisen, ein Zeichen, dass sie aus Einzelsiedlungen entstanden sind. Daher zum großen Teile schwer zu erklären. Von unseren emsländischen sind klar Brockhusen und Holthusen, unklar Hemsen, dem "heim" schon deshalb nicht zugrunde liegen kann, weil damit beide Stämme dieselbe Bedeutung hätten, was, wie schon gesagt, bei alten Namen niemals vorkommt. Da ein sonstiger Stamm mit langem e für das BW nicht zu finden ist, könnte ein sehr alter Personenname vermutet werden. Veerssen unmittelbar an einer Ausbuchtung der Ems kann auf eine alte Fähre schließen lassen, wie der gleichnamige Ort bei Uelzen an der ehedem viel wasserreicheren Ilmenau.
K r ü s s e l bei Haren (langes ü) tritt uns schon in der ältesten Zeit des emsl. Christentums, 890, als Crucilo entgegen. Der Name bedeutet offenbar ein Gehölz, in dem sich ein Kreuz befand. Da an einen sich kreuzenden Weg wohl nicht gedacht werden kann, liegt die Annahme nahe, dass es ein Gehölz war, in dem ein Kreuz auf offenem Felde stand. Das führt uns auf die Tatsache, dass in der karolingischen Zeit bereits steinerne W e g e - k r e u z e, zunächst wohl ohne, dann mit einem Korpus in Relief, aufgestellt wurden. Ein solches wird schon aus der Zeit St. Ludgers erwähnt, der sein schließlich in Werden a. d. Ruhr begründetes Kloster anfangs "beim Kreuze zu Nievenheim a. d. Erft" (vgl. Lacomblet, Ukb. f. d. Niederrh., I. Nr. 3) zu bauen gedachte, das, wie aus dem Wortlaut der Nachricht zu schließen, unter freiem Himmel gestanden haben muss. Ein solches, nach der Figur des Crucifixus aus der spätkarolingischen Zeit stammendes ist uns vollständig erhalten in dem bekannten "Großen Herrgott von Bentheim", ein anderes, im Original nur noch zur Hälfte vorhandenes stand in der Gemarkung von Wüllen bei Ahaus. Hat vielleicht auch von einem ähnlichen auch der Krüssel seinen Namen? Jellinghaus erwähnt auch noch ein Krüsselt a. d. Lutte, das 900 ebenfalls als Crucilo erscheint. Ob man hierbei an einen heidnischen Versammlungsplatz denken darf? Oder gar an eine den Heiden heilige Stätte? An solchen wurden mit Vorliebe von den Missionaren Kreuze aufgerichtet. "Lo" bedeutet auch im engeren Sinne eine Lichtung im Walde, die zu Volksversammlungen benutzt wurde (z. B. Marklo an der Weser, der allgemeine sächsische Platz für solche). Die Bezeichnung hängt mit dem lat. lucus, Waldblöße, zusammen; mit den großen Versammlungen für Beratungen und Gerichte waren ja meist auch Pferfeste verbunden.
L a t h e n findet sich zuerst als Lodon 854, aber es ist nicht zweifelhaft, dass es zu den sehr alten Ortschaften gehört und schon vor dem Übergang des Nordlandes an Corvey 834 und zur Zeit der Christianisierung unter Karl d. Gr. von Bedeutung war. Man dürfte kaum fehlgehen, wenn man annimmt, dass Lathen in der unter Leitung des Missionsbischofs von Osnabrück erfolgenden Bekehrung des Agredingo durch die Missionszelle in Meppen den Hauptort und Mittelpunkt des Gaues darstellt. Dafür spricht 1) dass in der Nähe von Lathen auf dem Flütenberg bei Düthe wohl das uralte Volksgericht des Gaues bestand, 2) dass die Kirche zu Lathen, bevor sie von Corvey auf den hl. Vitus umgeweiht wurde, den hl. Johannes den Täufer zum Patron hatte (jetzt noch zum Mitpatron) und wahrscheinlich die vorhandene aber nirgends sonst nachzuweisende Haupt- und Mutter-Kirche des Gaues war, 3) dass Corvey selbst, obschon es mit Rücksicht auf seinen Hauptsitz Meppen Lathen zurückzudrängen versuchte, dort, allerdings gestützt auf starken Eigenbesitz, eine den nördlichen Teil des Nordlandes, den Hümmling eingeschlossen, umfassende Curia (Verwaltungs- und Abgabenstelle) errichtete. -
Die älteste Benennung Lodon, zu der um 1000 Lodun tritt, wird von Jellinghaus mit Lode, Schößling, in Beziehung gebracht, so dass on oder un als GW oder lod als BW aufzufassen wäre. Das dürfte aber nicht unbedingt erforderlich sein; denn man kann ebensogut trennen: lo-don, also Gehölz oder Lichtung im Gehölz auf oder bei einer Düne. Don und dun kommen im Altniederdeutschen nebeneinander vor. Die Schreibweise Loten findet sich erst in späteren Corveyer Aufzeichnungen, deren Einzelheiten nicht genau zu datieren sind und von rund 1100 bis 1400 reichen können. Vgl. auch Hülsen bei Haselünne: 854 Hulesdon = mit Hülskrabben bewachsene Düne und ähnliche Namen in Norddeutschland
W a l c h u m kommt in dem Werdener Register als Walkiun vor und muss sehr alt sein. Mit "Wall" hat es natürlich nichts zu tun, da das Bestimmungswort Walki lautet. Vermutlich stammt der Name von einer Person Walki her, wie viele der ältesten Ortsnamen, so dass "Ansiedlung des Walki" die Bedeutung wäre. Schönhoffs Vermutung Walahhem (Emsl. Gramm. S. 144) ist nicht urkundlich belegt.
Bei D e r s u m ist nicht ganz sicher, ob in den Corveyer Registern Dersinun oder Dersmun zu lesen ist. Zumeist findet man in der jüngsten Zeit Dersinun angenommen; Fr. Schily schreibt aber in der Ztschr. f. westf. Geschich. u. Alt.-Kunde, Bd. 79 (1921) II, S. 34 wieder Dersmun. Beide Formen lassen sich aus späteren Benennungen vertreten, sind aber im BW übereinstimmend. Ders muss ein sehr altes Stammwort sein; es scheint u. a. in dem Namen des niedersächsischen Gaues Dersaburg zu liegen. Die Bedeutung ist nicht mehr bekannt. Jellinghaus' Vermutung (Osn. Mitt. Bd. XXVII, 307), dass in dem Stammwort ein alter Bachname stecke, ist für Dersum wohl nicht zutreffend.
S ö g e l auf dem Hümmling lernen wir erst zu Corveyscher Zeit als Sugila, Sugiltra und Sigiltra kennen, sämtlich Bezeichnungen, für die weder aus dem Altniederdeutschen noch aus dem den Hümmling längere Zeit stark beeinflussenden Friesischen haltbare Erklärungen zu gewinnen sind. Dasselbe ist mit einer Reihe anderer Hümmlinger Ortsnamen der Fall. Mit Recht sagt Dr. Dud. Martiny in seiner Abhandlung "Grundzüge der Siedlungs-Entwicklung in Altwestfalen" (Osn. Mitt. Jahrg. XLV, 1922): "Die Ortsnamen des Hümmlings sind uralt und vorgeschichtlich, aus Worten gebildet, die in historischen Zeiten nicht mehr im Gebrauche waren und daher nur schwer und unsicher zu erklären…und zwar eben in den Gegenden, die auch vorgeschichtliche Funde aufweisen, gerade vorherrschend im Hümmling, jener Gegend, die wie kaum eine andere alte Zustände zäh erhalten hat". Versuchen wir aber dennoch, wenigstens ein paar Nüsse zu knacken.
Das Dörfchen W i e s t e liegt im östlichen Hümmling südlich von Werlte und heißt im alten Corveyer Heberegister Wisside und Wissidi. Im GW liegt deutlich das ithi. Beim BW wis liegt es nahe, an wisa, tiefliegende Grasfläche, Wiese, zu denken, ein Wort, das schon zur Römerzeit gebräuchlich gewesen zu sein scheint, vgl. Idisiaviso, "Wiese ist jetzt in plattdeutscher Verkleinerung Wiske, Wissidi also Wiesenfeld." Aber woher kommt Wiese? Dies leitet sich von was, wis, wes ab, dem Stamme, der sich noch in unserem Worte Wasem, dampfförmiges Wasser, findet. In jüngerer Form begegnen wir ihm in Flussnamen als BW zu dem GW e r, dem abgeschlissenen Rest eines Wortes, das "fließend" bedeutet zu haben scheint. Es tritt noch für sich auf in den Flussnamen Aar, Ahr u. ä., verbunden in Wisara oas Weser, Werse, Werre, Werra. Auch Wese kommt noch allein vor, so als Flüsschen in Waldeck mit dem Flurnamen Wesede (1290); das Flüsschen beim Dorfe Weschede bei Attendorn im Sauerlande wird 1424 Weschebeck genannt.
W a h n hat in seinem jetzigen Namen starke Wandlungen durchgemacht. Um 1000 finden wir es in dem Corveyschen Register als Walinoon, was zu den mit Personennamen gebildeten Siedlungsbezeichnungen zu zählen scheint; also die Ansiedlung des Wali.
E i s t e n, ssö. von Sögel, zusammengesetzt aus GW nun (s. o.) und BW ast, begegnet uns als Astnun um 1000 im Corveyer Register. In ast liegt das uralte awist, Schafstall oder Gehöft für Schafzucht, und in dessen BW der Stamm aw, später au, eine Bezeichnung, die für Mutterschaft noch jetzt bei uns lebendig ist.
In E s t e r w e g e n, alte Form Hesterwede, ist das GW klar, es bedeutet Gestrüpp; aber in dem BW scheint ein altes Wort zu stecken, das uns vielfach im Nordischen entgegentritt: hestr = Pferd, im Plattdeutschen des anliegenden Friesisch-Oldenburgischen noch allgemein erhalten für Fohlen, z. B. in dem Sprichwort: "He sprink as'n Haister". Wir haben es noch in hismann, engrisch hiseken für Fohlen; sodann findet es sich in Harswithehuson, jetzt Hardehausen bei Warburg, in Herssebrock, jetzt Herzebrock bei Rheda, Bez. Minden, und in Flurnamen wie neudeutsch Fohlenholz in der Gemarkung von Geseke u. a. Also ein Gestrüppholz, das zur Fohlenweide benutzt wurde.
Hiermit möge es genug sein. Diese für den weitesten Lesekreis berechneten und deshalb in möglichst volkstümlicher Form gegebenen Darlegungen verfolgen nicht den Zweck, eine irgendwie vollständige Ortsnamenkunde zu geben, sondern nur die G r u n d s ä t z e z u z e i g e n, nach denen die Sache in Angriff genommen werden muss, um eine solche zu schaffen. Diese Arbeit kann mit Hilfe der vorhandenen Quellen in verhältnismäßig kurzer Zeit erfüllt werden, wenn sich nur eine kleine Anzahl - am besten jüngerer - geschulter Kräfte findet, die mit Sammelfleiß Liebe zur Sache und zur Heimat verbinden. Sie würden sich dadurch deren Dank wie den der Wissenschaft überhaupt verdienen.
Quelle: Heimat-Kalender 1926, herausgegeben vom Kreise Meppen