Müller – der Familienname ist sonst nicht gerade selten in den meisten deutschen Landen, aber im Emslande kommt er nicht häufig vor und wo er vorhanden ist, tragen ihn dazu noch manchmal Familien, die, wenn auch vor langen Jahren, von auswärts zugewandert sind. Woher kommt das? Einfach daher, daß das Gewerbe des Müllers auch noch in der Zeit, als die Familiennamen zu den Personennamen angenommen wurden – bei uns im 15. Jahrhundert – selten war.
Übrigens ist der Name Mühle ein Fremdwort und wohl durch die Mönche, wie so viele andere Ausdrücke des täglichen Lebens, nach Deutschland gebracht. Es ist das lateinische „Molina“, wogegen der altdeutsche Ausdruck Quirn, der mittelhochdeutsche Kürn lautet. Wir haben im Emslande davon noch den Namen Kerne (Buttermühle oder Butterfaß). Das Wort Kernmühle für eine von einem Hunde getriebene Buttermaschine, wie sie in Ostfriesland besonders gebräuchlich ist, stellt also eine Doppelung dar, da Mühle dieselbe Bedeutung hat wie Kerne.
Hatte oder gebrauchte man denn früher im Emslande kein Mehl? Selbstverständlich, aber es wurde erst in verhältnismäßig später Zeit gewerbsmäßig hergestellt. Schon in den ältesten Heberegistern des Ludgerusklosters Werden an der Ruhr und des Klosters Corvey an der Weser, die seit dem 9. Jahrhundert im Emslande bedeutenden zinspflichtigen Grundbesitz hatten, wird ab und zu auch eine jährliche Abgabe an Mehl aufgeführt, wenn auch seltener als in vielen anderen Gegenden, und der Kornbau war in unserer Heimat schon zur Zeit des Christentums sehr erheblich. Wenn auch fast kein Weizen gesäet wurde, so doch um so mehr Roggen, Gerste und auch besonders Hafer. Brotbacken verstand man ebenfalls recht gut, sowohl Schwarz- wie Weißbrot wurde gegessen. Man mußte also das Mahlen kennen und dazu Vorrichtungen besitzen. Die Herstellung des Mehles geschah aber in der eigenen Haushaltung und war die Arbeit der Frauen, wie noch jetzt die Handhabung der Kaffeemühle. Die Getreidemühle nahm aber keinen großen Raum ein; sie bestand aus einem mörserartigen, ausgehöhlten Stein, in dem ein kleinerer genau paßte, so daß bei der Umdrehung des letzteren mit der Hand das Korn zwischen beide Steine kam und zerkleinert wurde. Zur Erleichterung der Drehung pflegten an dem oberen Teile des Laufsteines, in dessen Höhlung das zu mahlende Korn geschüttet wurde, Löcher für Holzzapfen zu sein. Das Mahlen ging auf diese Weise nicht gerade schnell nach unseren Begriffen, aber es ging und mußte gehen, weil man keine andere Vorrichtung kannte. Feinmehl wurde, wie jetzt, durch Siebung oder Beutelung hergestellt, auch kannte man gewisse Mittel, wenn auch unvollkommene, zur Herstellung von Hafer- und Gerstengrütze. Handmühlen obiger Bauart sind uns zwar nur wenige in vollkommenem Zustande erhalten, da sie später als überflüssig fast sämtlich vernichtet wurden, aber in den Museen finden sich immerhin genug, um ein deutliches Bild zu geben. Die meisten stammen aus Trümmern, der in alter Zeit durch Zerstörung oder Brand zugrunde gegangenen Wohnhäuser, wo sie unter dem Schutt liegen geblieben waren.
Einige Zeit vor Christi Geburt hatten die Römer die Wassermühle erfunden und dadurch wurde die Herstellung des Mehles zu einer mechanischen Verrichtung, so daß also das Müllergewerbe ein besonderer Beruf werden konnte. Diese Erfindung kam auch bereits früh nach Deutschland; aber für das Emsland hatte sie weniger Bedeutung, weil bei der Flachheit des Bodens auch wo es Bäche und Flüsse gab, kein hinreichendes ständiges Gefälle vorhanden war, um die Schaufelräder, sei es unter- oder oberschlächtig, anzutreiben. Die Ems und Hase waren dazu fast überall unbrauchbar und die paar kleineren Bäche mit zeitweise erheblicherem Gefälle konnten nur für die eine oder andere Mühle benutzt werden. Mehr Bedeutung hatten schon die in Italien mindestens ebenfalls um dieselbe Zeit oder vielleicht noch früher eingeführten Roßmühlen, bei denen, wie ihr Name sagt, die Kraft des Pferdes zum Betriebe benutzt wurde. Sie hatten auch im Emslande Verbreitung und hielten sich bis in die neueste Zeit, wurden aber zuletzt mehr zum Ölschlagen und ähnlichen Zwecken als zum Kornmahlen benutzt.
Die Mühle im gegenwärtigen Sinne kam erst im Gebrauch, nachdem die Erfindung der Windmühle auch in Niedersachsen Aufnahme fand. Sie soll, wenn auch in einfachster Form, schon um 500 bis 700 n. Chr. in den Mittelmeerländern zur Anwendung gekommen sein. Nach Deutschland gelangte sie von dort durch handeltreibende Kaufleute um 1050, ihre allgemeinere Verbreitung begann aber erst mit den Kreuzzügen, die ja auf das ganze bürgerliche Leben aller deutschen Stämme außerordentlich großen Einfluß ausgeübt haben. Die ersten Windmühlen in Nordwestdeutschland (in damaligem Sinne) dürften um 1200 dort errichtet sein, wo der Kornbau am stärksten war: in den Niederlanden und am Niederrhein. Holland ist ja noch jetzt das klassische Land der Windmühlen. Die Bauart blieb jahrhundertelang in der äußeren Form fast gleich, und auch jetzt noch finden sich im Emslande einzelne dieses Systems, nämlich der „Bockmühle“ oder, wie man sich bei uns sagt, der „Stännermöhle“. Diese ruht auf einem starken Holzgestell (Bock), von dem der ganze viereckige Mühlenrumpf mit der Achse und Flügel enthaltenden Kappe getragen wird, so daß je nach der Windrichtung das ganze Werk gedreht werden muß. Gegen das 18. Jahrhundert erfanden die Holländer die Verbesserung, daß nur mehr die Kappe die Drehung zu machen brauchte und von dieser aus die Mühle „geschwichtet“ – still gestellt werden kann. (Vergl. das hochd. Wort „beschwichtigen“.)
Der Wind hat als windiger Geselle das Recht der Ungebundenheit; aber weder wenn er sich polternd gebärdet, noch wenn er ganz ausbleibt, kann er es dem Windmüller recht machen und dieser der Kundschaft. Deshalb ist man auch im Emslande daran, ihm seine Herrschaft über das Mahlen wegen Unzuverlässigkeit abzunehmen. Die Dampfkraft ist ihm schon zuleibe gerückt, aber die Elektrizität schickt sich an, bald in die ganze Erbschaft einzutreten.
Merkwürdig: dieselben Naturkräfte, welche das Geschäft des Mahlens dem Einzelhaushalt entwunden haben, sind an der Arbeit, es zum Teile diesem zurückzugeben. Schon jetzt sieht man auf Bauernhöfen zahlreiche Schrotmühlen mit Göpelbetrieb an der Arbeit, um den Besitzer in der Hauptsache von der Windmühle unabhängig zu machen; es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Art Mühlen bei der in die entferntesten Winkel vordringenden elektrischen Kraft eine starke äußere und innere Entwicklung erlangen werden, so daß es in absehbarer Zeit wieder im gewissen Sinne heißen wird: Jeder größere und mittlere Landwirt sein eigener Müller!
Hermann Abels.
Quelle: Mein Emsland 11. Jahrgang 1935 Beilage zur Ems-Zeitung
Druck und Verlag: Buchdruckerei der Ems-Zeitung L. Rosell, Papenburg