Das Gut Scharpenburg ist durch Teilung des alten Rittersitzes Heede entstanden. Dieser war von Steven v. Oltman gen. v. Heede auf seine Söhne Coep und Werenbold vererbt worden. Am 16. Oktober 1467 machten diese einen Erbvertrag. Coep, der als der ältere der eigentliche Lehnserbe war, trat mit Einwilligung seiner Frau Mete das Stammhaus Heede, die Kirche und die zum Gut gehörende Kapelle sowie den größten Teil der Ländereien seinem Bruder Werenbold ab.
Er erhielt dafür eine Geldabfindung, eine Anzahl näher bezeichneter Grundstücke des Gutes und die Hälfte der Markengerechtigkeit in der Heeder Mark. Hinsichtlich der Abgabe an den Heeder Pfarrer, der von dem Stammgut jährlich je 20 Scheffel Roggen, Gerste und Hafer, Gras für zwei Kühe und 12 Pfennige zu bekommen hatte, wurde vereinbart, dass sie fortan von beiden Brüdern je zur Hälfte getragen werden sollte. Auf dem ihm verbleibenden Teil erbaute sich Coep einen neuen Wohnsitz, der zunächst ebenfalls den Namen Heede führte und wie das Stammhaus bischöflich münstersches Lehen blieb.
Coep war 1471 Richter in Aschendorf. Am 1. Oktober 1479 übergab er seinen Sitz Heede seiner Tochter Pelleke als Mitgift bei ihrer Vermählung mit Johann v. Campe zu Campe und verpflichtete sich zugleich, über den als Leibzucht vorbehaltenen Teil nur mit Einwilligung seines Schwiegersohnes zu verfügen. Coep wurde noch 1494 zu Behuf seines Bruders Werenbold mit dessen Anteil an Heede belehnt, muss aber bald darauf gestorben sein, da 1497 Johann v. Campe mit seinem Teil belehnt wurde. Er vererbte das Gut auf seine Tochter Anna, die es ihrem Gemahl Hans v. Scharpenberg zubrachte. Dieser verglich sich 1517 mit seinem Schwager Hermann v. Campe, wobei ihm der Besitz von Heede bestätigt wurde, während er selbst auf alle Ansprüche an das Gut Campe verzichtete.
Die Familie v. Scharpenberg entstammte dem Gut Neuenhaus an der Stecknitz (Berichtigung: Niendorf an der Stecknitz) im Herzogtum Sachsen-Lauenburg. Hans v. Scharpenberg und ein Ludger v. Scharpenberg, der 1510 Drost zu Cloppenburg war, sind anscheinend mit dem münsterschen Bischof Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg (1509 – 1522) ins Niederstift gekommen. Hans wurde Drost des Emslandes. In einem Revers vom 26. Dezember 1512 verpflichtete er sich dem Bischof von Münster gegenüber, sich gemäß seiner Bestallungsurkunde zu verhalten. Im Jahre 1529 wird er als Drost zu Delmenhorst bezeichnet, als ihn der Abt des Stiftes Wildeshausen mit einem Burgmannshof in Haselünne und dem dazugehörenden Tyverdings Erbe belehnte. Er war in erster Ehe mit Heilke v. Brae zu Campe vermählt gewesen, wodurch ihm ein Burglehen der Stiftsburg Nienhaus zugefallen war, mit dem er 1524 belehnt wurde und das sich auf seine Nachkommen vererbte. Sein Gut Heede erhielt in der Folgezeit nach der es besitzenden Familie den Namen Scharpenburg, obwohl es in den Lehnbriefen stets nur unter der alten Bezeichnung aufgeführt wird.
Hans v. Scharpenberg war 1537 nicht mehr am Leben. Ihm folgte im Besitz sein Sohn Joachim, der in diesem Jahre mit der Scharpenburg und dem Nienhauser Burglehn belehnt wurde. In einer Erbteilung vom 3. Mai 1546 trat er seine Güter an seinen mit Anna v. Voß zu Quakenbrück verheirateten Bruder Hans ab, der 1557 als Hauptmann bezeichnet wird, als er seiner Frau ein Haus in Aschendorf und einige Erben als Leibzucht verschrieb. Hans starb im Jahre 1561 während des Osnabrücker Lehntages und wurde beerbt von seinem Sohn Vollhardt. Unter ihm wurde Scharpenburg im Jahre 1596 von dem spanischen General v. dem Berge, der in dem spanisch-niederländischen Krieg das Amt Meppen wiederholt durchstreifte, eingenommen.
Nach Vollhardts Tode folgte ihm zunächst sein ältester Sohn Hans Vollhardt, der 1602 mit dem Gut belehnt wurde. Er trat jedoch bald darauf die Scharpenburg mit den beiden Burgmannslehen seinem Bruder Engelbert ab, der 1613 damit belehnt wurde, behielt für sich die im Münsterland gelegenen Besitzungen und zog auf das alte Stammgut seiner Familie Neuenhaus an der Stecknitz (Berichtigung: Niendorf an der Stecknitz). Hier hatte er 1581 die dortige Kapelle so reichlich dotiert, dass sie zur Kirchspielskirche erhoben werden konnte. Er ließ in ihr am 23. April 1614 für sich und seine Gattin Katharina v. Ascheberg ein noch erhaltenes auf Holz gemaltes Epitaph anbringen.
Engelbert vermählte sich mit Tetta v. Plettenberg zu Osterwedde. Er hatte sehr unter den Drangsalen des 30jährigen Krieges zu leiden, da das Dorf Heede an der alten linksemsischen Verkehrsstraße von Ostfriesland nach Westfalen gelegen ist, die von allen kriegführenden Parteien begangen wurde. Ein Bericht der Heeder aus dem Jahr 1657 besagt darüber: „Wir haben in diesen verwichenen langwährenden Kriegszeiten aller Beschwernisse mehr als unsere benachbarten Dörfer ausgestanden, weil wir nahest an der ostfriesischen Grenze und der Bourtange gelegen sind und alle Pfade hin und wider durch dieses Dorf gehen. Weiteres weil auch der Schwedengeneral Königsmarck an die 4 Wochen sein Hauptquartier im selbigen Dorfe Heede gehabt hat und unser Korn als Roggen, Gerste, Weizen, Hafer, alles abgefüttert, item unsere Pferde, Kühe, Schafe, Schweine abgenommen, die Häuser niedergerissen, teils verbrannt, teils Hütten davon gemacht und uns in das äußerste Ruin und Armut gebracht hat.“ Bei Engelberts Tode um 1655 war dadurch Scharpenburg mit einer Schuldenlast beschwert, die noch seinen Nachfolgern viele Sorgen bereitete.
Engelbert hinterließ zwei Töchter, von denen die ältere Anna Almoed Erbin des Gutes wurde. Sie hatte sich am 2. Dezember 1642 mit dem Obristwachtmeister Hermann Friedrich v. Pinninck vermählt. Dieser entstammte einer holländischen Adelsfamilie. Sein Vater Adrian war als spanischer Landrentmeister zu Lingen ins Emsland gekommen, hatte 1625 das Gut Beversundern gekauft und war am 10. Januar 1652 vom Kaiser Maximilian III. in den deutschen Adelsstand erhoben worden. Seine Nachkommen nahmen den Namen v. Pinninck v. Scharpenburg an. War es Hermann Friedrich schon nicht gelungen, seine Gläubiger zu befriedigen, so wuchsen die Schwierigkeiten unter seinem Sohn Engelbert Christian, der nach seinem im Februar 1665 erfolgten Tode das Gut übernahm, dadurch an, dass das befestigte Scharpenburger Herrenhaus 1673 im zweiten holländischen Krieg des münsterschen Bischofs Christoph Bernhard v. Galen von dem niederländischen General Rabenhaupt eingeäschert und Vieh, Korn und Hausgerät vernichtet wurden. Ein Wohnhaus konnte zwar mit Unterstützung des Bischofs wieder aufgebaut werden, die Schulden blieben. 1678 bat deshalb Engelbert Christian, auf seine Lehngüter 2 – 3.000 Taler aufnehmen zu dürfen. Der Antrag wurde zwar bewilligt, doch wollte niemand das stark belastete Gut weiterhin beleihen. Im Jahre 1693 musste er in seiner Not den halben Heeder Garb-, Blut- und Flachszehnten an den Besitzer des Nachbargutes Heede, den Erbkämmerer Wilhelm v. Galen, für 4.500 Taler verpfänden unter der Bedingung, dass 4.000 Taler ausgezahlt werden sollten und, wenn nach 10 Jahren das Geld nicht zurückerstattet wäre, der Zehnte gegen Bezahlung der Restsumme in das Eigentum Galens übergehen sollte.
Engelbert Christian war in erster Ehe vermählt gewesen mit Johanna Henriche v. Bardewyck zu Beel, nach ihrem Tode heiratete er um 1696 Tetta Cornelia v. Brawe zu Campe. Er starb am 12. Juni 1702 und wurde beerbt von seinem Sohn aus erster Ehe Hermann Friedrich, vermählt mit Anna Elisabeth Henriette v. Schwicker zu Schwickering, der am 16. Mai 1737 verstarb. Sein Sohn und Erbe Christian Jobst Franz Joseph hinterließ von seiner Gattin Maria Franziska v. Althaus zu Beel bei seinem Tode am 23. September 1755 nur eine minderjährige Tochter Josephine, die eine Wohltäterin der Armen und der Kirche in Heede wurde und hier am 9. September 1811 unvermählt verschied.
Ihr Großvater Hermann Friedrich v. Pinninck hatte einen Bruder Caspar Levin, der als Offizier in die Dienste der Niederlande getreten und dort ansässig geworden war. Seiner Ehe mit Maria Cornelia v. Lenarts entsprang eine Tochter Maria Emerentia, die nach dem Tode ihrer Base Josephine Herrin der Scharpenburg wurde. Sie war die Letzte ihres Geschlechts. Am 28. August 1763 hatte sie sich mit dem Geschworenen Rat und Sekretär der Stadt Maastricht Mathieu Carl v. Lenarts zu Jugenapp vermählt. Als sie am 1. Oktober 1823 starb, folgte ihr im Lehnsbesitz der Scharpenburg zunächst ihr Sohn Carl v. Lenarts, der 1832 ohne Nachkommen verschied, dann seine Schwester Maria Agathe, die in kinderlosen Ehen mit Pierre Francois Charles Roemers, dann mit Nicolaus Thirion verheiratet war. Sie wurde 1854 mit Scharpenburg belehnt. Nach ihrem am 23. September 1862 erfolgten Tode beerbten sie die Söhne ihrer mit dem französischen Hauptmann Jean Francois Perreau vermählt gewesenen Schwester Adrienne, namens Ludwig und Anton, die den Namen Perreau de Pinninck de Scharpenburg annahmen. Eigenartigerweise erhielten von jetzt an sämtliche Agnaten die Belehnung mit dem Gut, wodurch dieses in viele Besitzanteile zersplittert wurde.
Ludwig, der mit Maria Elisabeth Hougaerts verheiratet war, hinterließ seinen Anteil an Scharpenburg bei seinem Hinscheiden am 12. März 1890 seinen Söhnen Oscar und Adrian, von denen dieser am 13. März 1917 unvermählt starb. Nach dem am 4. September 1916 erfolgten Tode des mit Josefine Ghineau verehelichten Oscar beerbten ihn seine Söhne Camille, Ludwig, Oscar, Eugen und Paul, die teils in Spanien, teils in Belgien wohnhaft sind. Sie bzw. ihre Kinder sind zu je ein Zehntel im Besitz des Gutes.
Der am 7. Dezember 1868 verstorbene Anton Perreau hatte aus seiner Ehe mit Maria Clara v. Lenarts zwei Töchter, von denen Marie die Gattin des Hauptmanns Karl Hermans, Luise die des Rentners Leon van Gameren in Dilsen wurde. Deren Kinder Ernst, Maurice und Paul Hermans und Adolf, Marie, verehelichte Müller, und Marguérite van Gameren, zumeist in Brüssel ansässig, besitzen je ein Zwölftel Anteil an Scharpenburg.
Die Fideikommisseigenschaft des Gutes wurde am 18. August 1938 gelöscht. Die Größe des Gutes, das seit über 150 Jahren in Kleinpachtungen ausgetan ist, betrug zuletzt 121 ha. Am 13. Juni 1956 verkaufte die Erbengemeinschaft 115 ha des Gutes Scharpenburg an die Hannoversche Siedlungsgesellschaft und behielt lediglich eine Fläche von 5,19 ha einschließlich des ehemaligen Burgplatzes mit der alten Linde.
Aus dem Jahre 1653 liegt eine Aufzählung der Pertinentien der Scharpenburg vor. Danach bestand sie aus Herrenhaus, Brauhaus, Scheunen, Küchen- und Apfelgarten, die von Gräften umschlossen wurden. Die Gerechtigkeit zur Koppeljagd besaß das Gut im ganzen Amt Meppen mit Ausnahme der bischöflichen Gehege in Stavern, Werpeloer Busch und dem Börger Wald. Fischereigerechtigkeit hatte das Gut in der Ems, in der alten Ems beim Heeder Holz, in der Aalkule bei der Fähre, im Eppensloot, in der Wehrtlake, der Hunfelder Lake und in der Dersumer alten Ems. Am Haus befanden sich zwei Gärten von zusammen 3 Vierupsaat Größe, ein junger Holzbestand, in dem 2 Schweine gemästet werden konnten, und 2 Koppeln Weideland für zusammen 10 Kühe. Die Größe des in der Gemarkung Heede zerstreut liegenden Ackerlandes betrug 12 Scheffelsaat, die der Wiesen 18 Tagewerke, ferner war Weide für 26 Kühe, 8 Pferde und soviel Holzung vorhanden, dass 13 Schweine darin gemästet werden konnten. Nach einem etwa gleichlautenden Verzeichnis aus dem Jahre 1719 betrugen die an das Gut zu liefernden Gefälle aus den Erbkotten 1 Malter Roggen, 1 Malter Gerste, 1 fettes Schwein und 1 fetter Widder, aus dem Hof und Lösezehnten in Frakeloh 8 Malter Roggen, 1 Tonne Gerste, 1 Tonne Hafer und 3 Taler Dienstgeld. Der kleine Zehnte zu Sustrum erbrachte 6 – 8 Malter Roggen, der damals noch zur Scharpenburg gehörende ein Viertel Anteil des Heeder Zehnten 30 – 40 Tonnen Roggen.
Die Heeder Mark war im gesamten Umfang zehntbar und ergab die 10. Garbe in Roggen, Hafer, Gerste, Buchweizen und Flachs, das 10. Lamm, die 10. Biene, für jedes Füllen und jedes Schwein je ½ Stüber und von jedem Haus 1 Huhn. Von dem Zehnten in Dörpen kam ein das 10. Lamm, die 10. Biene, von jedem Füllen eine Witte, für jedes Kalb 3 Witte, für jedes Schwein 1 ½ Witte und von jedem Haus 1 Huhn (10 Witte = 1 Groschen). Dazu kamen noch Einkünfte von 2 Eigenbehörigen in Höhe von 2 Talern, 5 Malter Roggen, 5 Malter Hafer und 3 mageren Schweinen. In der Heeder Mark war das Gut zu 2 Vollerbenanteilen berechtigt. Das Erbbegräbnis des Gutes befand sich in der Kirche in Heede, in der es noch jetzt 20 Kirchenstühle besitzt. An Lasten hatte das Gut außer der schon erwähnten Abgabe an die Heeder Kirche jährlich 1 Vierup Roggen an den Inhaber der Heeder Fährgerechtigkeit zu liefern.
Im Jahre 1653 wird in einer Lehnsdeklaration angegeben, dass von dem Burglehen auf dem Hümmling, einem Burglehen der Stiftsburg Nienhaus, das bis dahin noch immer in den Lehnsbriefen aufgeführt wurde, schon seit langem keine Kenntnis mehr bestände.
Das nach der Zerstörung von 1673 errichtete anscheinend nur bescheidene Wohnhaus hat wohl schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr bestanden. Der Überlieferung nach soll Josephine v. Pinninck bei einem Heeder Bürger gewohnt haben. Die bis dahin noch stehende Zehntscheune brannte 1873 ab. Der Verlauf der doppelten Gräften ist noch zu erkennen. Als einziges Denkmal aus alter Zeit steht auf dem vereinsamten Burgplatz noch eine uralte Linde mit 13,5 m Umfang, deren Stamm sich in 4 m Höhe in 16 baumstarke Äste teilt.
Quelle:
Rudolf vom Bruch
Die Rittersitze des Emslandes
Aschendorff
Münster
4. Auflage 1962