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Buchausschnitte

Zur Geschichte des Kirchenbaues im Emsland.

Von Hermann Abels.

Aus der Lebensbeschreibung des hl. Ludger von Altfried in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts erfahren wir die auch sonst nicht bezweifelte Tatsache, dass die ersten Kirchen in Norddeutschland, also auch im Emslande, aus Holz gebaut waren, und in der Vita S. Cuthb., c. 46 des hl. Beda des Ehrwürdigen (+ 735) findet sich eine genaue Schilderung der Technik solcher Holzbauten, die aus England nach dem Festlande übernommen wurde und unter dem Namen „Schottische Bauart“ bekannt war.

Wenn man danach eine Holzkirche bauen wollte, legte man zunächst in länglichem Vierecke schwere Eichenbalken in die Erde, so dass sie in dieser einen festen Halt hatten. Diese waren in der Mitte der Länge nach durchfurcht, also mit einem Einschnitte versehen. In diesen Einschnitt setzte man nebeneinander, je etwa zweieinhalb cm voneinander entfernt, halbdurchschnittene, unten zugespitzte Eichenstämme, deren platte Seite nach innen, rauhe nach außen gekehrt war. Auf diese eben zugespitzten Stämme wurden in ähnlicher Weise wie unten gefurchte Eichenbalken gelegt und so die Wände durch die obere und untere Balkenlage gehalten. Die Baumstämme aber, welche die beiden schmaleren Seitenwände bildeten, verlängerten sich stufenweise zur Mitte hin und wurden ebenfalls durch zwei der Länge nach eingeschnittene, miteinander verbundene Balken, die sich in der Mitte trafen, zusammengehalten. Die Zwischenräume der Wände dienten für die Lichtzufuhr, pflegten aber in der rauhen Jahreszeit durch Stroh verstopft zu werden, so dass dann von der Decke zahlreiche Öllampen herabhingen. Nach der Einführung des Fensterglases, die wohl in größerem Maßstabe im Emslande erst gegen 1000 erfolgte, verschwanden selbstverständlich diese Ritzen in den Wänden und wurden durch Scheiben ersetzt.

Über die Bedachung, Türen, Fußböden und die innere Einrichtung findet sich bei Beda keine Angabe. Die Dauerhaftigkeit dieser Bauten war natürlich nach der Güte des Materials, dem Klima und der Witterung verschieden; im Allgemeinen scheinen sie zweihundert Jahre nicht überlebt zu haben. Übrigens ist es auch nicht sicher, ob diese Bauweise allgemein in Anwendung kam oder nicht vielmehr in manchen Orten die kirchlichen Gebäude den profanen ähnlich aus Fachwerk in stilloser Form mit einem daneben stehenden Glockengerüst ausgeführt wurden. Das lag namentlich für das Alluvialgebiet, also hauptsächlich am westlichen Emsufer, nahe, wo sich weder Bruch- noch Findlingssteine in der Erde fanden und das Herbeischaffen zu beschwerlich war. Das Ziegelbrennen scheint vor 1200 auch in Friesland nicht bekannt gewesen zu sein; erst von da an begegnet man seinen ersten dortigen Spuren, wogegen man es in Holstein schon früher geübt haben muss.

Dass angesichts der leichten Vergänglichkeit der hölzernen Kirchengebäude eine frühe Erneuerung stattfinden musste, liegt auf der Hand; wie lange aber der Zeitabschnitt der alleinigen Holzkirchen gedauert hat, lässt sich nicht so genau feststellen; nach der Meinung neuerer Forscher dürfte aber die im ersten Viertel des 10. Jahrhunderts vom Osnabrücker Bischof Dodo I. eingeweihte neue Kirche zu Bokeloh, welche die Ludgerianische Holzkirche ersetzte, schon ein Steinbau gewesen sein, und verschiedene Fachmänner wollen in einzelnen Mauerteilen noch Reste von diesem erblicken. Wenn die Ansicht richtig ist, hätte man um diese Zeit die Anfertigung eines festen Mörtels für die Herstellung von Mauerwerk aus dem Findlingsmaterial bereits kennen müssen, sowie auch die Bearbeitung des Sandsteines für Mauereinfassungen.

Die schriftlichen Überlieferungen aus dem 834 von Kaiser Ludwig dem Frommen dem Kloster Corvey an der Weser geschenkten Missionshause Meppen nebst allen diesem gehörenden Kirchen und Besitzungen melden nicht das Geringste von neu gegründeten oder neugebauten Kirchen, wie überhaupt dies seit dem 12. Jahrhundert stark in geistigen Verfall geratene reiche Kloster für die geistige Hebung des von ihm weit entfernt liegenden Emslandes sehr wenig getan, aber viel unterlassen hat.

Indessen sind wir aus sonstigen, meist gelegentlichen Nachrichten darüber klar, dass der Zeit der Holzkirchen eine solche der Bauten aus dem Material der Findlingsblöcke folgte, die in kleinem oder größerem Umfange über den diluvialen Teil des Emslandes zerstreut sind und sich als festes, leicht zu erlangendes und kostenloses Material von selbst aufdrängten. In größerem Umfange scheint dies von etwa 1200 an zur Verwendung gelangt zu sein. Es kann nicht auffällig sein, dass in dieser Bauweise der östliche Teil des Emslandes, der Hümmling, hervorragt, da er das Baumaterial am nächsten bei der Hand hatte. In diese Zeit gehört die alte Kapelle der angeblichen Tempelherren und späteren Johanniterkommende Esterwegen, sodann die von Diepenbrock in die Mitte des 13. Jahrhunderts gesetzte bedeutende Kirche zu Herzlake, die ursprünglichen Kapellen zu Lorup, Wahn, Klein-Berßen, die sich von der Mutterkirche Bokeloh herleiten, sodann das Schiff der Kirche in Bokeloh selbst mindestens in seinen Hauptbestandteilen und der ältere Teil der Kirche in Haren; auch dürfte die früher dem hl. Johannes dem Täufer geweihte Kirche in Lathen dazu zu rechnen sein, die aber wohl schon, wie dies Patrozinium andeutet, eine Vorgängerin aus der Zeit der Holzbauten hatte, da sie die alte Taufkirche des Agredingo vor der Corveyer Zeit gewesen zu sein scheint. Die Kirche in Werlte wurde von dem Osnabrücker Bischof Dr. Johannes Hoet, einem damals berühmten Kenner des Kirchenrechtes (1350 bis 1366), zweifellos zum Ersatz einer älteren, geweiht und hat sich bis 1833 erhalten.

Nun beginnt eine längere Zwischenpause, aus der wir keine weiteren Kirchenbauten nachweisen können. Sie erklärt sich durch äußere Umstände. Zunächst herrschten längere Fehden zwischen Münster und Ostfriesland, in die das Emsland hineingezogen wurde, dann folgte der sogenannte emsländische Bauernkrieg, der durch die Bedrückung der Landleute durch die fürstlich münsterischen Beamten hervorgerufen wurde, ihm schloss sich der verderbliche Streit um den Besitz des Fürstbistums Münster an zwischen Walram von Mörs und Erich von Hoya, der ebenfalls in unsere Gegend hinüberspielte, schließlich kamen noch Pest und Teuerung hinzu. Gründe genug, weshalb zu neuen Kirchenbauten weder Mut noch Eifer genug vorhanden war, zumal damals das kirchliche Leben überhaupt darniederlag.

Bessere Zeiten traten erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein und man darf staunen, dass damals das befestigte Städtchen Haselünne es fertig brachte, die noch jetzt vielbewunderte hochragende Hausteinkirche auszuführen; der Turm wurde jedoch erst 1471 erbaut und der gesamte Kirchenbau bedurfte bereits 1508 einer durchgreifenden Wiederherstellung. Außerdem fällt in dieselbe Zeit, 1448, noch der Kapellenbau in Vinnen im Hümmling. Der   sich hebende Wohlstand spricht sich weiter in den neuen Kirchenbauten aus. Es folgt wiederum Bokeloh mit dem Chore von 1462 und gleichzeitig der Neubau der großen und eindrucksvollen, wenn auch etwas gedrückten Propsteikirche in Meppen als Hausteinbau, deren hoher, weithin sichtbarer Turm, die „Krone des Emslandes“ genannt, 1643 durch Blitzschlag abbrannte und erst seit 1868 in wohlgelungener gotischer Form wiederhergestellt wurde. (Eine romanische oder frühgotische Kirche hat das Emsland aus alter Zeit nicht mehr aufzuweisen.) 

Nach der kunstgeschichtlichen Seite ist aber das bedeutendste Moment, dass jene Zeit, offenbar von ostfriesischen Vorgängen beeinflusst, den niederdeutschen Backsteinbau aufgriff und ihm mit den einfachsten Mitteln eine solche landschaftliche Wirkung zu geben verstand, dass geradezu das Ideal einer emsländischen Dorfkirche erreicht wurde, insbesondere durch die wuchtigen Türme mit ihren Sattel- und Pyramidendächern. Dies Traditionsgefühl hat noch vorgehalten bis 1700, als die bisher turmlose Kirche in Heede einen solchen erhielt. In alter anheimelnder Schönheit steht noch die neuerdings mit pietätvoller Schonung und gelungener Auffrischung des überlieferten Barockschmuckes restaurierte Pfarrkirche in Aschendorf (1498); neben sie stellten sich in gleichem Stile die alte Kirche in Rhede (1470) und die soeben genannte in Heede (1485) sowie die in Steinbild (1512), die letztere leider seit etwa 1870 durch eine unpassende beschieferte Helmspitze des Turmes beeinträchtigt. Aus dieser baufrohen Zeit stammen noch die Kirchen in Sögel (1482), Holte (1523), Börger (1528), Wesuwe (1509), Lathen (1531), sowie verschiedene, zum Teile inzw. durch Neubauten ersetzte Kapellen, wie Hesepe (um 1517), Geeste, Fullen (beide vor 1460), Dörpen (1526), Borsum (1515) und einige andere.

Unter dem münsterischen Fürstbischof Franz von Waldeck, der sich auch die Bistümer Osnabrück und Minden zu verschaffen wusste, brach 1532 die Glaubenstrennung herein, und bis zur Rückführung zum Katholizismus in der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde überhaupt keinerlei kirchliches Gebäude im Emslande mehr errichtet. Im Gegenteil: die Kirchen wurden samt und sonders verwahrlost und nicht bloß ihrer Heiligtümer und Wertsachen beraubt, sondern auch ihrer kunstvollen inneren Ausstattung entkleidet, so dass zumeist nur das kahle Gemäuer zurückblieb, dessen Malereien obendrein noch mit Kalk übertüncht waren.

Nachdem der alte Kultus wiederhergestellt war, hatten unsere durch die fast ständigen Kriege, insbesondere den 30jährigen, verarmten Vorfahren nach allen Kräften zu tun, das Innere der Kirchen einigermaßen wieder gebrauchswürdig herzurichten. Dass sie alsbald wieder vom alten katholischen Geiste beseelt wurden, geht daraus hervor, dass sie unter damaligen Verhältnissen es möglich machten, allerdings neben viel Wertlosem und manchem geradezu Hässlichen, auch nicht weniges echt Künstlerische in dem damals herrschenden Barockstile zu beschaffen. Der „Purismus“ der zweiten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts hat darin sein Schlachtfeld gefunden und bis in unser Jahrhundert hinein beides schonungs- und wahllos hinausgeworfen und vernichtet, um es durch großenteils recht anfechtbares „Stilreines“ zu ersetzen; in erster Linie mussten die Hochaltäre herhalten. Freilich war es eine Zeitkrankheit, die das Emsland mit sehr vielen anderen Gegenden ergriffen hatte.

Neue Kirchengebäude von irgendwelcher Bedeutung hat die Barockzeit im Emslande schon wegen der fast ständigen kriegerischen Verhältnisse nicht liefern können. Zwar wurde 1668 die Klosterkirche der Franziskaner in Aschendorf eingeweiht; sie war im Äußern unansehnlich, im Innern barg sie einige größere Schnitzwerke, die aber auch kaum über das Handwerksmäßige hinausgingen und nach der Auflösung des Klosters im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts an Kirchen und Kapellen der Umgegend vergeben wurden. Im Jahre 1674 wurde die Antoniuskirche am Untenende in dem damals erst 34 Häuser zählenden Papenburg eingeweiht. Sie stand bis zum Bau der jetzigen, beiderseits von Häusern eingeschlossen, an der nördlichen Ecke der Friederikenstraße und bot ganz das Äußere einer Notkirche. In der ersten Zeit wurde sie von den Patres aus Aschendorf bedient.

Mehr Beachtung nach der baulichen Seite verdienen die Schlosskapelle in Clemenswerth bei Sögel und die Gymnasialkiche in Meppen, erstere in reinem Rokoko, letztere in einer Mischung von solchem und dem sog. Jesuitenstile, beide aber künstlerisch nicht unbedeutend. Den Entwurf für die erstere lieferte der berühmte Baumeister Schlaun, von dem u. a. auch das Residenzschloss in Münster gebaut ist. Die Jagdkapelle auf Clemenswerth wurde eingeweiht 1742, die Gymnasialkirche 1746. Auch der nüchterne oder Zopfstil hat – beinahe stände hier geschrieben - ein Opfer gefordert in der 1798 vollendeten Kirche zu Dörpen, die um die letzte Jahrhundertwende durch einen mehr auf praktische Brauchbarkeit als sog. Stilreinheit sehenden, einem Neubau gleichkommenden Umbau ansprechend ersetzt worden ist.

Auf die seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts neu erbauten emsländischen Kirchen soll hier nicht eingegangen werden, weil sie erstens noch der Gegenwart angehören und zweitens eine einheitliche oder neue Idee vermissen lassen, aber mit einer einzigen und deshalb um so beachtenswerteren Ausnahme aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts. Es ist der durch Papenburger Seefahrer errichtete Turm der früheren Michaelskirche in Papenburg-Obenende, der die Gestalt eines Leuchtturms aufweist. An günstiger Stelle gelegen, schaut er als Wahrzeichen des unteren Emslandes weit über die ebenen Fluren und erfreut das Auge sowohl durch das ausgeglichene Ebenmaß seiner Linien wie durch die Originalität seiner Gestaltung, die auf der ganzen Erde ihresgleichen nicht findet. Er ist auch nach dem Neubau der Kirche und dem Abbruch der alten noch weiter kirchlichen Zwecken dienstbar und wird durch treue Pflege, wie wir hoffen, noch zahlreichen nach uns kommenden Geschlechtern, den Weg zum himmlischen Hafen zeigend, auch das sterbliche Herz entzücken.

 

Quelle: Mein Emsland Jahrgang 1929 Beilage zur Ems-Zeitung

Verlag: Buchdruckerei der Ems-Zeitung  L. Rosell, Papenburg

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