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Buchausschnitte

Vom Kirchturm in Heede

Aus dem Nachlass von H. Abels, Paderborn.

Wenn man über den Damm von Dörpen nach Heede geht, erblickt man den östlichen Teil des Dorfes Heede und als dessen Abschluss die Kirche. Schlicht und einfach, in feierlich erhabener Ruhe liegt sie da, ein Dorfheiligtum, wie es in das Gesamtbild der flachen Gegend nicht besser passen kann. Der massige Turm ragt nur mit seiner Pyramidenspitze über das Kirchdach hervor, aber gerade das wirkt am meisten dazu mit, das Bild des Ganzen wie das der Kirche selbst zu vervollständigen und zu harmonisieren.

Zunächst erscheint aus der Ferne der Bau erheblich größer, als er in Wirklichkeit ist, und sodann wird dadurch das gesamte Bild des langgestreckten Dorfes, je mehr es sich vor dem Auge entrollt, in ansprechendster Weise vollendet. Es wäre eine ganz andere Sache gewesen, wenn die Kirche sich in der Mitte eines rund um sie herum gebauten Dorfes bestände: dann hätte das Ganze mehr in die Luft ragen müssen und der Turm auch ein Geschoss höher sein dürfen. Steht man aber nahe bei der Kirche, so bietet sich der gleiche Anblick des gerade in seiner Einfachheit Schönen: der Bau macht den Eindruck des aus einem Gusse Geschaffenen, an dem alle Teile zu einander passen und sich – mit Ausnahme etwa der Sakristei – nicht trennen lassen.

Und dennoch sind Kirche und Turm zeitlich um mehr als zwei Jahrhunderte von einander geschieden: die Kirche selbst ist 1485, der Turm erst 1707 erbaut. Seit Alters erzählte man sich in Heede, die Kirche habe in früherer Zeit einen „hölzernen“ Turm gehabt, dieser sei vom Winde umgeweht, dann habe man den jetzigen gebaut, und dabei habe der Besitzer des Hauses Heede, v. Galen, soviel Ziegelsteine zur Verfügung gestellt, wie die Heeder Bauern heranfahren wollten. Diese seien aber des Fahrens leid geworden und hätten es eingestellt; aus dem Grunde sei der Turm so niedrig geblieben.

Diese Volksüberlieferung erweist sich als nicht ganz unbegründet, wenn sie auch nur zum Teile richtig ist. Im Arenbergischen Domanialarchiv zu Meppen befinden sich Aktenmaterialien, aus denen sich der Hergang hinreichend klar ersehen lässt.

Aus den Bauformen der von Westen nach Osten orientierten Kirche ist noch heute zu ersehen, dass sie ehedem nach Westen mit einer Mauer abschloss, die, wie vor dem Umbau im Innern in den jüngsten Jahrzehnten noch klarer hervortrat, wohl ohne Tür und Fenster war, da es des Lichtes halber der letzteren nicht bedurfte und ursprünglich an den beiden Längsseiten sich je ein geräumiger Eingang befand. Vor dieser Mauer oder an der Seite der Kirche befand sich ein Holzgerüst, in dem sich zwei Glocken befanden; aus welcher Zeit es herrührte, ist nicht ermittelt. Zu Anfang 1707 raste ein schwerer Sturm, dessen auch in den Aufzeichnungen des ehemaligen Franziskaner-Klosters in Aschendorf Erwähnung geschieht, über die Gegend und warf das Gerüst mit den Glocken um, wobei eine Glocke in Stücke ging. Ob eine von den jetzigen Glocken die erhalten gebliebene ist und die andere neubeschafft wurde, lässt sich nicht sagen, mindestens passen die beiden gegenwärtigen in ihrem Klange schlecht zusammen.

Die Gemeinde Heede fasste nach diesem Unglück sofort den Beschluss, ihren „hölzernen Turm“ durch einen steinernen zu ersetzen, aber es fehlte an Geld, was sich aus den vorangegangenen Kriegsläufen leicht erklären lässt. Es wurde deshalb beschlossen, für diesen Zweck „Unland aus dem Gemeindebesitz“ zu verkaufen, und zwar beim Hassel die Honermisse und beim „Eggenschloot“ (beim Schuckenbrock) die Lehmkuhle. Pfarrer war damals Joh. Otto Ebbinghoff (seit 1665, er wird noch 1717 erwähnt). Dieser Plan fand aber nicht den Beifall der beiden Adligen: der Herren v. Galen, wie gesagt, der Besitzer des Hauses Heede, und v. Pinning, Besitzer des Gutes Schärpenborg. Beide legten bei der Amtsverwaltung in Meppen Einspruch ein, über dessen Erfolg keine bestimmte Nachricht vorliegt. Der Bau wurde aber dadurch nicht aufgehalten; 1708 war er im Gange, aber es stellte sich alsbald Geldmangel ein, man konnte die Steine nicht bezahlen, ein Beweis, dass die Sage von der unentgeltlichen Lieferung durch v. Galen wenigstens für die erste Zeit nicht richtig ist. Um sich zu helfen, liehen die Erb- und Eingesessenen von Heede bei Johann Janssen Albers Hunfeld (ehemalige Fähre an der Ems) 100 Reichstaler an, als deren Sicherheit das Heeder Spiek diente, das bereits 1662 gegen ein Darlehen von 120 und später noch 80 Reichstalern an dessen Vorgänger Albert Syvers zum Honvelde und seine Frau Tybe verpfändet worden war. Es ist das jetzige „Albers Spiek“ beim Hunfelde an der Ems, das also früher der Gemeinde gehörte.

Wann der Turm vollendet wurde, ist nicht zu ermitteln; möglicherweise hat die Sage insofern recht, dass er wegen Mangels an Mitteln nicht höher gebaut wurde. Von Interesse ist aber dessen Baustil. Während damals sonst allgemein im Barockstil gebaut wurde, zeigt er soviel gotische Anklänge, dass er schon für gleichzeitig mit der Kirche selbst erbaut gehalten worden ist; die sandsteinernen Gesimse zeigen noch gotische Formen. Das ist nur so zu erklären, dass der Baumeister, jedenfalls ohne von Kunstgedanken auszugehen, sich einfach genau an ein ihm bekanntes Muster, vermutlich an den Turm zu Aschendorf, gehalten hat und so unbewusst eine Einheitlichkeit in den ganzen Bau legte, wie sie für jene Zeit kaum ein Gegenstück findet.

Quelle: Mein Emsland Jahrgang 1933 Beilage zur Ems-Zeitung

Druck und Verlag der Ems-Zeitung, Papenburg

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